Essay
Rhetorische Hinweise für technische Redakteure
Über das Verfassen von Gebrauchsanleitungen
Als ich den Verkaufsleiter einer Küchenabteilung bat, mir eine Gebrauchsanleitung für einen Induktionsherd mitzubringen und am besten – aus Zwecken der Illustration – eine nicht so gute, war seine lakonische Antwort: »Die sind alle schlecht«, außerdem würde sie eh kein Verbraucher lesen, wer wolle schon 15 Seiten Sicherheitshinweise studieren – aber das müsse halt sein. Daher könne ich auch einfach die von meinem eigenen Herd nehmen.
Das ist für technische Redakteure – als deren Endprodukt die Gebrauchsanleitung bei der Entwicklung eines Produktes steht und die gerade deshalb schon in der Phase der Produktentwicklung daran gearbeitet haben – eine deprimierende, aber auch aussagekräftige Aussage, weil sie wichtige Signale gibt:
1. Dass die Sicherheitshinweise sein müssen, sieht jeder ein, sie sind notwendig, erschweren aber die Lesbarkeit des Textes.
2. Nicht einmal ein Verkaufsleiter, der das Produkt verkaufen will und aus der Arbeit der Redakteure doch Argumente für den Verkauf ziehen könnte, hat ein positives Verhältnis zu solchen Texten. Aus seiner Erfahrung mit den Kunden weiß er zudem, dass sie Anleitungen nicht lesen wollen, da sie diesen von vornherein kritisch gegenüber stehen. Und auch wenn die »tekom« [1] den Verbrauchern in ihren Tipps »Erkennen Sie eine gute Gebrauchsanweisung« rät, den Kauf von Produkten zu verweigern, wenn Gebrauchs- oder Montaganleitung nicht verständlich seien, scheint dies im Verkauf niemanden ernsthaft zu beunruhigen. Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass darauf wenig geachtet wird, selbst wenn die Unzufriedenheit mit den Anleitungen latent vorhanden ist.
3. Auch Benutzer eines Induktionsherdes erinnern sich nicht an die Gebrauchsanleitung, selbst wenn es sich um Rhetorikerinnen handelt.
Erst der Anlass, mich mit den Aufgaben von technischen Redakteuren und Redakteurinnen zu beschäftigen, führte zur Lektüre der Gebrauchsanweisung meines Induktionsherdes und auf Grundlage der Lektüre zur Feststellung, dass es sich hierbei um sehr klare und deutliche Anweisungen handelt. Auch würde ich sagen, dass Hinweise der »tekom«[2] durchaus erfüllt sind wie etwa:
• Die deutsche Fassung muss schnell zu finden sein
• Die Sprache sollte auf Anhieb verständlich sein
• Sicherheitshinweise sollen einfach und hervorgehoben sein
• Abbildungen sollen den Text bereichern
• Format, Druckqualität und Papier müssen stimmen etc.
Was stört dann? Warum wird eine solche Anleitung dann nicht als gut und nützlich gewertet? Oder philosophisch gefragt: Was fehlt, damit sie als solche durch Gebrauch anerkannt wird?
Angedeutet wird dies durch den leicht verständlichen Satz auf S. 28 meiner Anleitung, auf der die Funktionen des Herdes erklärt werden. Erster Satz ist die unbezweifelbare Tatsache, dass der Herd, um zu funktionieren, eingeschaltet sein muss. Wer hätte das gedacht? Ihr möglicher Einwand, aber dies müsse doch gesagt werden, stimmt zwar, aber in Zeiten einer Technik, die den Anspruch erhebt, intuitiv begreifbar zu sein, erinnert mich der Satz genau daran.
- [1] »Gesellschaft für Technische Kommunikation – tekom e.V.«; www.tekom.de
- [2] Lehrndorfer, Anne: Ärger mit dem neuen Gerät. Erkennen Sie eine gute Gebrauchsanweisung. Herausgegeben von der »tekom«, 2007. http://www.workingoffice.de/pdf/tekom_verbraucherbroschuere.pdf (Abruf am 25.10.2014)