Buchbesprechung
»… engagiert und authentisch wirken …«
18 Essays verknüpfen serielle und individuelle Gestaltung
Die Begriffe »Handwerk« und »Design« stehen in einem ambivalenten Verhältnis zueinander. Beides sind Begriffe, deren Bedeutung und Definition sich nicht einfach in einen kompakten Satz pressen lassen. Dennoch – man spürt, dass beide Begriffe irgendwie miteinander verwoben sind. Dieses Spannungsverhältnis besser einordnen zu können, das verspricht man sich durch das Buch »seriell – individuell. Handwerkliches im Design«, herausgegeben von Gerda Breuer und Christopher Oestereich. 18 Essays verschiedener Autoren werden in dem Sammelband zusammengebunden, sie geben einen Überblick zur Entwicklung von Handwerk und Design und setzen diese Begriffe in einen gesellschaftlichen Zusammenhang.
Der Sammelband startet mit dem Aufsatz »Das Handwerk als Produktions- und Arbeitsstil. Widerstand, Koexistenz und Konvergenz zur Industriekultur« von Dagmar Steffen. Die Entwicklung von Handwerk und seinem Gegenspieler, der Industrie, wird hier unter dem Designaspekt historisch eingeordnet – von der Arts-and-Crafts-Bewegung bis hin zu den aktuellen Digital Crafts.
Auch die folgenden Texte im Themenblock »Handwerk und Design – Die Entwicklung« bemühen sich um die Einordnung und Eingrenzung der Begrifflichkeiten.
Der Aufsatz von Verena Kuni »Gib mir fünf. Begriffe zu Handwerk, Design und DIY« kommt mit fünf Begriffen aus dem angesprochenen Spannungsverhältnis daher: Analogital, Instruktion, Nachhaltigkeit, Open Source und Zusammenarbeit. Verena Kuni schafft es, den Raum zwischen Design und Handwerk zu definieren, und schildert inspirierende Beobachtungen, in denen man sich als Gestalter oft wiederfindet. Besonders die Fokussierung auf einen Prozess und nicht auf ein »Endprodukt« ist ein spannendes und vielversprechendes Konzept für junge Gestalter. Neben den theoretischen Gedankengängen von Kuni klingen konkrete Methoden und Ideen für einen neuen, anderen Gestaltungsprozess an.
Auch der darauf folgende Essay von Mònica Gaspar »Craft in its Gaseous State« ist für jungen Gestalter sehr aufschlussreich. Gaspar beschäftigt sich ebenfalls mit der Fokussierung auf den Prozess und vermittelt Handwerk als eine Perspektive für Designer: »Handwerk dient Designern dabei auch als rhetorisches Werkzeug der Aneignung, mit dessen Hilfe sie individuelle und kollektive Handlungen ausloten.« (S. 129) Der Aspekt der Rollenfindung ist dabei zentral, da durch den Prozess einer Recherche der Ausdruck und eine kritische Reflexion aufeinandertreffen.
Die weiteren Essays des Themenfeldes »Positionen – Handwerkliches im Design heute« befassen sich mit dem Handwerk als Experimentierfeld, mit Materialität, Methoden und interdisziplinären Arbeiten in unterschiedlichen Designdisziplinen. Der Themenblock schließt mit einem Essay von Annina Schneller, »Die Rhetorik des Selbstgemachten im Grafikdesign« versucht die Anziehungskraft von handgemachten Kommunikationsmittel zu greifen und zu erklären; damit meint Schneller, ambivalent zum Handwerk, das Laienhafte. Sie unterscheidet dabei Handwerklichkeit, im Sinne von handwerklichem Können, von Amateurgestaltung. Dabei stellt Schneller die These in den Raum, dass Amateurgestaltung nicht zwingend schlechter sein muss – »sie kann durch ihre selbstgemachte Erscheinung engagiert und authentisch wirken und gerade hierdurch ihren Zweck erfüllen« (S. 194). Eine Aussage, von der man sich zunächst provoziert, beinahe angegriffen fühlt. Jedoch werden imperfekte Stilmittel im Grafikdesign tatsächlich oft genutzt, um ein persönliches oder authentisches Design zu erhalten.
Das nächste Kapitel Handwerk, Design und Gesellschaft« beschäftigt sich in drei Essays mit dem DIY-Trend (Do it yourself), mit Konsumkritik und Nachhaltigkeit. Besonders der Essay von Dirk Hohnsträter hilft zu verstehen, warum wir uns von handwerklich hergestellten Produkten angezogen fühlen und was das mit Individualität zu tun hat.
Durch die vielen Autoren wird in dem Buch ein großes Spektrum an Gedanken, Erkenntnissen und Beobachtungen übermittelt. Das Lesen und Einordnen der Informationen wird durch die verschiedenen Auffassungen von Design und Handwerk der Autoren erschwert. Dadurch sind die Abgrenzungen unklar, und es ist erforderlich, zwischen den Zeilen zu lesen. Die Kurzbiografien der Autoren, die hinten im Buch gesammelt zu finden sind, können jedoch dabei helfen. Will ein Kommunikationsdesigner die Erkenntnisse des Buches auf seine Disziplin anwenden, muss er umdenken. Viele Autoren beziehen sich auf Produktdesign, die Erkenntnisse lassen sich aber auch auf Kommunikationsdesign übertragen. Die vielfältige Lektüre lohnt sich jedoch auf jeden Fall, auch wenn einige lose Fäden zurückbleiben. Wer Interesse an Prozessen und Methoden hat, dem bietet das Buch interessante Antworten, es wirft spannende Fragen auf.