Mythen des Alltags
Cityroller
Lieber schlecht gefahren als gut gelaufen
Takira Racing, Apollo City, Hudora Big Wheel. Kleine Räder, große Räder, klappbar, elektrisch: Cityroller! Seit ein paar Jahren scheint diese bahnbrechende Mobilitätslösung in Form des kompakten Stadtflitzers dem anzugtragenden Großstadt-Bänker die letzten 500 m zwischen U-Bahn und Büro auf effiziente Weise zu erleichtern. Der Cityroller ist leicht, komprimiert, preiswert und darf im öffentlichen Nahverkehr kostenlos mitgeführt werden, da er als Spielzeug eingestuft wird. Und das erklärt die ganze Misere.
Ich war 9 Jahre alt, als ich zur Kommunion einen Cityroller geschenkt bekam. Schon nach einer halben Stunde im stolzen Besitz dieses Gefährts musste ich auf schmerzliche Weise erfahren, dass schon die geringste Menge Rollsplitt das Vorderrad blockiert und mich im hohen Bogen über die Lenkstange befördert. Das schnelle Ende der Geschichte: Meine Mutter stufte die Verkehrstauglichkeit dieser Höllenmaschine als mangelhaft ein und verwehrte mir die Fahrt damit zur Schule. Davon abgesehen: Mit dem Rad kommt man wesentlich schneller ans Ziel.
Vielleicht mag die Verwendung des Cityrollers auf dem letzten Stück zur Arbeit vielen praktisch und effizient vorkommen. Doch ist die vermeintliche Effizienz es wirklich wert, sich wie ein Riesenbaby, das aus seinem Spielzeug herausgewachsen ist, durch die Menschenmassen auf dem mit Pflastersteinen bedeckten Gehweg zu schlängeln? Der Rollerfahrer bewegt sich mit Schrittgeschwindigkeit zwischen genervten Fußgängern, erntet belustigte Blicke und ist am Ende des Tages kaum schneller am Ziel als zu Fuß.
Wenn mich ein Rollerfahrer auf dem Gehweg überholt, weiß ich nicht, was mir an ihm mehr leid tut. Der Verlust jeglicher Eitelkeit oder der Lebensstil, der für kurze Strecken Fahrzeuge benötigt.
Vor ein paar Jahren wurde noch die Kombination von Anzügen und Sneakern heiß diskutiert. Später wurde das Outfit mit bunten Socken ergänzt. Nun scheint man also seinen Anzug mit Takira, Apollo oder Hudora zu kombinieren …