Frage und Antwort
»Rockstar der Elektriker-Innung«
Stefan Sagmeister über die Überraschung des Ungewöhnlichen
Manche halten Sie für einen Popstar des Designs. Können Sie sich darin wiederfinden?
Heutzutage gibt es in jeder Branche einen Rock- bzw. Popstar, der Rockstar des Direktmarektings, der Rockstar der Elektriker-Innung. Die Einzigen, die keine Rockstars sind, sind die Rockstars selber. Die glauben, sie sind Brands.
Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?
Ich habe über viele Jahre hinweg versucht, die beste Arbeit, die ich machen kann, zu machen. Das funktionierte manchmal besser, und manchmal weniger gut.
Warum lassen Sie sich nackt fotografieren?
Als Österreicher habe ich vor der Nacktheit keine große Angst, alle unsere Wiener Badestrände zur Studentenzeit waren Nacktbadestrände. Da mir klar war, dass die Nacktheit - zumindest im Designzusammenhang - hier in Amerika sehr ungewöhnlich ist, habe ich diese Ungewöhnlichkeit ausgenutzt. Als Kommunikationsdesigner funktioniert die Überraschung des Ungewöhnlichen als Strategie ausgezeichnet.
Sind Sie an einem Punkt Ihrer Karriere, an dem Sie nur noch Design für Designer machen können?
Design für Designer hat mich nie interessiert, da kommen oft langweilige, interne, für einen kleinen Kreis bestimmte Projekte heraus. Aber ich bin an einem Punkt meines Lebens angelangt, an dem ich mir es leisten kann, nur noch Projekte, die mich wirklich interessieren, zu machen.
Warum nehmen Sie nur noch »non-commercial«-Aufträge an?
Weil ich schon genügend kommerzielle in meinem Leben fertiggestellt habe. Da macht mich jetzt etwas Neues, von mir noch Unerprobtes mehr an.
Wie wecken Sie mit Ihrer Gestaltung das Entzücken beim Betrachter?
Manchmal, in dem wir versuchen, etwas besonders Schönes zu gestalten. Oder etwas besonders Persönliches. Oft erreichen wir es nicht.
Wann ist der formale Ausdruck einer Idee wichtiger als die Idee selbst?
Ich würde beide als gleichwichtig betrachten.
»Stets muss die Praxis auf guter Theorie beruhen«, sagte Leonardo da Vinci – gilt das für Sie ebenfalls?
Nicht unbedingt: Es gibt durchaus die Möglichkeit, etwas aus dem Bauch heraus zu gestalten, das ohne Theorie zu einem guten Ergebnis führen kann.
Welche (Design)-Methoden benutzen Sie innerhalb Ihrer Kreativarbeit?
In der Vergangenheit habe ich oft sehr genaue Skizzen gefertigt (ich besitze 25 großformatige, meist penibel geführte Skizzenbücher), die dann so getreu wie möglich umgesetzt wurden; ein Design war dann fertig, wenn es die Skizze so exakt wie möglich duplizierte, eine high-res-Version derselben.
Diese Arbeitsmethode wurde mit den Jahren ein wenig eingleisig, und so probieren wir allerlei andere Möglichkeiten aus, z. B: statt Skizzen Zeitbeschränkung. Wir haben dies bei einem Auftrag zur Gestaltung einer Serie von fünf Plakatwänden für die Stadt Paris ausprobiert: Wir sind samt einer gemieteten high-res-Kamera nach Arizona geflogen, morgens jeden Tag um 6 Uhr aufgestanden, sind ohne Skizze in die Wüste und haben mit den dort gefundenen Materialien pro Tag ein Design gestaltet, insgesamt fünf Plakatwände in fünf Tagen. Wir mussten täglich spätestens um 17 Uhr fertig sein da um 18 Uhr die Sonne unterging und wir keine Blitzanlage mitgebracht hatten.
Wo sehen Sie sich und den Beruf des Designers in zehn Jahren?
Ich bin ein schlechter Wahrsager. Dem Beruf wird es sehr wahrscheinlich gut gehen, denn selbst wenn AI einiges unserer Arbeit übernehmen wird, wird es für flexible Designer immer viele Gestaltungsmöglichkeiten geben, ob in VR, AR oder AI. Ich selber hoffe, dass ich in 10 Jahren immer noch ein winziges Designstudio in NYC leiten werde.