Entnommen habe ich die Sequenz »L’avventura«, einem Film von Michelangelo Antonioni, der bei seiner Premiere in Cannes 1960 für einen Eklat gesorgt hatte. Lea Masari, der vermeintliche Star des Films, verschwindet inmitten der Handlung, ohne wieder aufzutauchen. Das Publikum, daran gewöhnt, dass eine Vermisste selbst dann, wenn sie nicht zu den Protagonisten gehört, gesucht und entweder tot oder lebend gefunden wird, konnte nicht begreifen, dass Anna die Bildfläche verlässt, damit Sandro, ihr Geliebter, und Claudia, ihre Freundin, in einen erotisch-moralischen Zwiespalt geraten. Sie sind einander von Anfang an zugeneigt, kommen sich im Verlauf der Suche nach Anna näher, wollen sich ihre Liebe aber nicht eingestehen. Als sie dann schließlich doch ein Paar werden, verwandelt sich ihre Hoffnung, die Vermisste zu finden, in die Furcht, sie könnte wiederkehren. Auf ihrer Suche nach Anna gelangen Claudia, gespielt von Monica Vitti, und Sandro, gespielt von Gabriele Ferzetti, nach Schisina, einer Arbeitersiedlung auf Sizilien, die nie bezogen wurde. An diesem Ort stellt sich das erwähnte, von Langeweile durchsetzte Unbehagen ein, das auch die Zuschauer ergreift. Geoffrey Novell-Smith bezieht das, was dann kinematografisch, also auf der Ebene der Diegese, geschieht, auf Claudias Weigerung, Sandros Werben nachzugeben:
“They stop in the deserted village, and a straight cut (rather than the dissolve which the film normally uses to separate sequences from each other) provides the transition from the car leaving the village to the couple making ecstatic love in a field. Psychologically, this abrupt switch can only be motivated retrospectively. Something has happened to change Claudia’s attitude, and with this change in her the film alters course. It has reached its turning point.”[42]
Antonioni, Michelangelo: L’avventura. 1960. DVD. The Criterion Collection.