Buchbesprechung
»An etwas Bedeutungsvolles anknüpfen«
Monika Heimann und Michael Schütz über Designwirkungen
Was für eine Fleißarbeit. 600 Seiten umfasst dieses Kompendium zur Wirkung von Gestaltung, und es gibt eigentlich keinen Aspekt, den die beiden Autoren darin nicht ansprechen würden. Wahrnehmungstheorien, Farbwirkung, Formenwirkung, Bildaufteilung, Stilkunde, nein, man kann nicht alles aufzählen, was dieses Buch enthält, ohne eine Besprechung zur reinen Aufzählung werden zu lassen. Keine Frage, Monika Heimann und Michael Schütz waren ungeheuer fleißig, und auch der Leser muss ein bisschen fleißig sein, wenn er etwas von ihrer Arbeit haben möchte. Denn »Wie Design wirkt« ist weniger Gutenachtlektüre als eine zwischen zwei Buchdeckeln gepresste Einführungsveranstaltung in die Wirkungsmechanismen visueller Phänomene. Und genau so sollte man vorgehen: ein Semester lang jede Woche drei Stunden lesen und die entsprechenden Übungen machen.
Damit ist auch gleich vorgezeichnet, wem man dieses Buch empfehlen würde: jungen Gestaltern nämlich, die ihre Handschrift suchen und ein Regelwerk schätzen, dass sie nicht im gestalterisch Ungefähren lässt, sondern in dem man gegebenenfalls auch nochmal nachschlagen kann, wie das eigentlich funktioniert mit der Wirkung ganz konkreter Formen. Denn den beiden Autoren ist weniger an einer wissenschaftlichen Untersuchung psychologischer Abläufe gelegen als an einer möglichst umfassenden Hilfestellung für Kreative. Das beinhaltet auch manche banale Information nach dem Motto: runde Formen wirken weicher als Eckige, Rot steht für Leidenschaft, und eine Diagonale im Bild erzeugt Spannung. Wer sich in diesen Feldern bereits ein bisschen auskennt, der wird viele Seiten überblättern müssen – um dann aber immer noch viel Interessantes zu finden. Denn das Spektrum des Bandes »Wie Design wirkt« reicht von der menschlichen Wahrnehmung bis zu Ausflügen in die Kunstgeschichte, von der Gestaltpsychologie bis zum Design Thinking.
Verbindende Klammer ist der Rezipient, der Kunde, die Zielperson oder wie auch immer man es nennen möchte. »Wirkung ist, wenn ein Design Assoziationen beim Betrachter auslöst, die an etwas für ihn Bedeutungsvolles anknüpfen.« Dieser Merksatz taucht gleich mehrfach auf (S. 51.; S. 567). Dass zusätzlich zwischen den Begriffen »Aufmerksamkeit« und »Wirkung« sauber unterschieden wird, macht die Arbeit der Autoren sehr sympathisch. Denn soviel Kritik muss die Werbewelt aushalten können: Aufmerksamkeit und Klicks alleine reichen nicht, um etwas zu erreichen – und oft genug ist die wirkungsvollste Kampagne nicht diejenige, die gestalterisch am anspruchsvollsten daherkommt.
Dass das Autorenduo diese Spannung benennt, reflektiert und zu erklären versucht, ist – abgesehen von der ungeheuren Sorgfalt, auch ja keinen Wirkungsaspekt am Wegesrand liegen zu lassen – eine der großen Stärken des Buches. Letztlich folgt es einem der beschriebenen Leitsätze aus der Gestaltpsychologie: »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.« Denn wirklich gutes Design, so die Autoren, sei eben nicht aus dem Wirkungsbaukasten zu haben. Ausschlaggebender Faktor sei letztlich immer der Designer selbst als »Wirkungsmacher«.