In diesen Fällen wird die pragmatische Funktion zu einer Figur erweitert, ohne dadurch behindert zu werden. In vielen Fällen erhöht die figurale Erweiterung (wie in den hier gewählten Bauhaus-Beispielen) sogar die Funktionalität.
Anders in Fällen der Hinzufügung. Der Mercedes-Stern am Auto-kühler hat für den Gebrauch des Wagens keine Bedeutung, er ist reine Zutat, wenngleich nicht funktionslos, wenn man seinen Signalcharakter bedenkt. Nur Hinzufügungen, die die Funktion beeinträchtigen, sind überflüssig oder schädlich. Ein Kurzzeitwecker in Form eines Mickymaus-Kopfes verunklärt möglicherweise seine Bestimmung, verhindert sie aber nicht: die Ohren dienen als Aufziehhilfen, und die übrigen Applikationen reihen den Gegenstand in populärkulturelle Kontexte ein, die Identifikation ermöglichen, werbewirksam sind und belustigend wirken mögen.
Durch Einsparung und Auslassung erhalten wir weitere Möglichkeiten der Objektfigurierung: das Flachdach, türlose Durchgänge, selbsttragende Treppenkonstruktionen gehören in diese Figurenklasse, auch Speichenfelgen, zeiger-und ziffernlose Uhren. Eine dritte Klasse ergibt sich durch Vertauschung und Umstellung der Elemente: das Bullauge als Fenster des Wohnhauses, die gläserne Blüte als Parfum-Flakon, Uniformknöpfe am Regenmantel. Das vierte Verfahren schließlich besteht im Austausch ganzer Figurenensembles: das Uhrarmband ist eine Kette, die Lampe ist ein Springbrunnen, das CD-Regal eine Metallspirale. Bei diesen Operationen geschieht allerdings mehr als die isolierte Änderung der durch die Funktion bestimmten Grundformen: Die Durchbrechung der geschlossenen Radfolge zur Speichenform verändert den ganzen Kontext – der Gegenstand wird aus der Sphäre bloß pragmatischen Gebrauchs in die des sportlichen Vergnügens gerückt und signalisiert auch ein Selbstbild, das sich von demjenigen des üblichen Fahrers abheben soll.
Der Stilzug der Bauhaus-Architektur signalisierte Modernität und sicherte dem Hausbesitzer eine entsprechende Imago. In der wirkungsvollen Form kristallisieren sich, wie das letzte Beispiel zeigt, also nicht immer nur allgemein geteilte Haltungen und Gefühlseinstellungen heraus; die Ausgangsbasis für sie können auch prominente Anschauungsweisen sein, die nur von einer Minderheit getragen werden, sich aber, wenn diese Minderheit als soziale Elite Vorbildgeltung hat, auch mehrheitlich durchsetzen.
Doch können sich Geschmacksmaßstäbe auch von unten nach oben durchsetzen. Wenn Modedesign sich der Punk-Requisiten bemächtigt, so reflektiert sich darin ein komplexes Geflecht von Motiven und Wirkungsabsichten, das den Designern oftmals nur teilweise bewusst ist. Der inventive Aspekt (Mode sei die ewige Wiederkehr des Neuen, hat Walter Benjamin – ihre Hauptintention zum Paradox zuspitzend – gesagt) ist dabei nur der offensichtlichste. Hinzu kommen beim Adressaten verdrängte Wünsche und Ängste,zudemIntegrationsabsichten.Als irritierend empfundeneRandgruppenphänomene werden durch ihre ästhetisch-rhetorische Hypostasierung ins Gewohnte eingemeindet.
6. Auch wenn das auf den ersten Blick merkwürdig erscheint, so hat die Rhetorik diese Wirkungsdimension besonders in der Ethos-Instanz der Rede berücksichtigt.
Illustration: Thilo Rothacker