Essay
Das Verhältnis von Politik und Design
Die Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm: 1953—1968
Zuerst ein paar Hinweise zur begrifflichen Klärung. Wir müssen vorsichtig sein mit dem Begriff Design, wenn wir über die HfG Ulm reden. Denn der Designbegriff ist gerade im Deutschen äußerst problematisch. Er hat die Wirkung einer rosafarbenen Wolke: Wir fühlen uns möglicherweise fröhlich und unbeschwert, ein wenig eingelullt, wenn wir von Design reden. Zugleich merken wir nicht, wie wir eingenebelt sind und tatsächlich aneinander vorbeireden. Dem Designbegriff fehlt weitgehend die signifikante Trennschärfe und Klarheit, die wir brauchen, wenn wir uns über Qualitäten sachlich austauschen wollen.
Der moderne Designbegriff wird nach aktuellem Stand erstmals von William Addison Dwiggins im angloamerikanischen Kontext für die Bezeichnung einer beruflichen Tätigkeit verwendet, die genau die Charakteristika vereint, die wir auch heute noch mit Design verbinden: Mit dieser – vermutlich von ihm selbst geschaffenen Bezeichnung des Graphic Designers – will er 1922 seine eigene vielseitige Arbeit bei der Gestaltung von Büchern (z. B. Typographie, Layout, Illustration) auf
einen Begriff bringen.
Der erste schriftliche Beleg für die Verwendung des Wortes »Design« in der deutschen Sprache stammt von Mart Stam: In seiner Antrittsrede als Rektor der Akademie der Künste und der Hochschule für Werkkunst in Dresden im Dezember 1948. Er spricht wörtlich vom »Industrial Designer« als Übersetzung für: »Entwerfer für die Industrie«.
Gestaltung hingegen hat seine Wurzel als programmatischer Reformbegriff. Er befand sich im Mittelpunkt vielfältiger Bemühungen um integrative, ganzheitliche Wahrnehmung (»Gestalttheorie«). Der Untertitel des Dessauer Bauhaus lautete: »Hochschule für Gestaltung.« Der holistische Anspruch, der mit der Rede von Gestaltung zum Ausdruck gebracht werden soll, ist dem Design zu eigen, seit dieses Phänomen der Moderne (nach Luhmann könnte Design auch als Medium bezeichnet werden) in Erscheinung tritt: Es sei nicht nur ein einzelner Aspekt in Form zu bringen, also nur die Karosserie eines Autos oder nur seine Farbe, sondern es seien sämtliche Aspekte in Betracht zu ziehen. Nicht nur die formal-ästhetischen, sinnlich wahrnehmbaren, sondern auch die sozialen, technischen, wirtschaftlichen und kulturellen.
Die Gründer der HfG Ulm haben sich für den Titel entschieden: Hochschule für Gestaltung. Sie haben ihre Institution nicht auf den Namen getauft: Hochschule für Design.
Mit Design ist nun ein spezifischer Bestandteil der Moderne gemeint, der sich durch vier Kennzeichen definieren lässt. Design begegnet uns als Phänomen der Gestaltung im (1) arbeitsteiligen, (2) kommerziellen und (3) industriellen Prozess zur Hervorbringung von (4) Serienprodukten. Durch diese Charakteristika lässt sich das Design insbesondere in seiner Beziehung zur Kunst und zum Handwerk identifizieren.