Buchbesprechung
»Die Botschaft ist das, was beim Adressaten ankommt«
Frank Wagner über die Wirkung und den Wert von Design
»Sehen Sie sich um. Sie werden feststellen – außer Sie befinden sich gerade in der Natur –, Sie blicken in eine durch und durch gestaltete Welt« (S. 6). Sei es der Stuhl auf man sitzt oder der Rechner auf dem Schreibtisch – wir sind umgeben von Produkten, die uns einerseits einen emotionalen oder funktionalen Nutzen verschaffen und uns andererseits bewusst oder unbewusst beeinflussen. In »The Value of Design« fordert Frank Wagner, dass Designer sich dieses Wirkungszusammenhanges sowie der daraus folgenden Konsequenzen bewusst werden und verantwortungsvoll handeln. Dabei beschäftigt er sich mit nichts Geringerem als der Aufgabe des Designers in Gegenwart und Zukunft.
Das Kompendium, erschienen 2015 im Hermann Schmidt Verlag, widmet sich den Veränderungen, der sich Gesellschaft und Designer stellen müssen. Frank Wagner ist geschäftsführender Inhaber von »hwdesign«, einer renommierten und international vielfach ausgezeichneten Marken- und Designagentur in München und beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit Design. »The Value of Design« soll in fünf Kapiteln zeigen, wie wertvoll Design für eine sich im Wandel befindliche Gesellschaft sein kann. Dabei streift das Werk über ein weites Feld unterschiedlichster Aspekte und greift philosophische Themen der Ethik und Ästhetik auf. Beginnend mit einer geschichtlichen Einordnung führt Wagner den Leser an die Entstehung und Funktion von Design heran.
Im ersten Kapitel widmet sich Wagner der noch relativ jungen Disziplin »Design« im Kontext ihrer Funktion. Zu Beginn der Design-Entwicklung war vor allem die Notwendigkeit einer Funktion bestimmend für die Form. Heute diktieren die Herstellungsmöglichkeiten maßgeblich diese Formgebung. Seine These: »Auch wenn Design nicht nur Formgebung ist, so ist Formgebung immer Design« (S. 17). Wagner sieht dabei Designer nicht als Urheber, sondern als Übersetzer von Veränderungen. Der Autor erhebt jedoch den Vorwurf, dass mit Design in der heutigen Zeit alles bezeichnet wird, was eine ästhetische Aufwertung zum Ziel hat.
Anschließend geht Wagner im zweiten und ausführlichsten Kapitel »Die Syntax des Designs« auf die Wirkungszusammenhänge und die Grundlagen der Ästhetik ein. Mit knappen philosophischen Bezügen zu Kant und kommunikationstheoretischen Grundlagen von Paul Watzlawik hebt er die Bedeutung von Design als Transmitter hervor. Der Designer »macht die Botschaften durch Design zugänglich« (S. 87), reduziert dabei die Inhalte auf das Wesentliche und gibt ihnen eine wahrnehmbare Form. Aus dieser Priorisierung von Inhalten resultiert für den Autor eine Mitverantwortung, die jeder einzelner Designer zu tragen hat.
Nachfolgend befasst sich Wagner mit den kreativ kognitiven Fähigkeiten von Designern, verschiedenen kreativen Prozessen sowie dem Streben von Design nach einem Ideal. Er setzt sich kritisch mit der Designlehre auseinander und bringt dem Leser Vermittlungsmethoden von bekannten Denkmustern, wie z. B. Design Thinking, nahe. Wagner thematisiert und hinterfragt nicht nur Wertvorstellungen von Design und Designern, er plädiert für ein übergreifendes, gesellschaftliches Ideal als Anspruch in einer Gestaltungsaufgabe.
Mit einer Beschreibung von verschiedenen Herausforderungen, mit denen Design und eine Ethik des Design konfrontiert ist, versucht Wagner im Kapitel »Die Ethik des Designs« dem Leser die Notwendigkeit eines erweiterten Wertekanons zu vermitteln. Er ist davon überzeugt, dass Design in der Gestaltung unserer Lebenswelt eine maßgebliche Rolle spielt, doch damit »Design als verantwortungsvoller Gestalter unserer Lebenswelt akzeptiert werden« kann, »braucht es ein allgemein akzeptiertes Ideal, nachdem es strebt« (S. 139). Der Autor stellt dem Leser einen Kanon ethischer Kriterien vor – der »Codex Design« –, in dem sich unterschiedliche gesellschaftliche Bedürfnisse wiederfinden.
Das Buch richtet sich vornehmlich an Designer und Designstudenten, die sich abseits von klassischer Fachliteratur mit den alltäglichen und zukünftigen Herausforderungen von Design auseinandersetzen möchten. Dank einfacher Satzkonstruktionen und dem Verzicht auf übertrieben akademische Sprache ist der Band angenehm zu lesen. Die Kapitel sind stets ähnlich aufgebaut und beinhalten eine Art Maxime zu Beginn. Essenzielle Fragen rund um die Aspekte des Designs bilden häufig den Abschluss eines Textes.
Frank Wagner schreibt nicht nur über die Wirkungszusammenhänge und den Wert von Design, er räumt mit gängigen Vorurteilen auf und geht dabei mit den Designern selbst ins Gericht. Er scheut sich dabei nicht, die negativen Aspekte von Design anzusprechen, und möchte eine kritische Diskussionskultur anregen. Seine Ausführungen werden stets von großen Fragen begleitet, auf die der Autor jedoch meist keine konkrete Antwort hat. Zuweilen scheint das leidenschaftliche Plädoyer für ein neues Selbstverständnis des Designers in eine persönliche Revision abzugleiten. Dennoch ist das Buch interessant sowie lehrreich und lädt den Leser zu einer Reflexion über die eigene Designertätigkeit ein. »Die Botschaft ist das, was beim Adressaten ankommt« (S. 91), und nach dem Lesen dieses Buches bleibt folgende Erkenntnis: Unter Voraussetzung eines neuen Selbstverständnis der Designer wird Design ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft bleiben.