Mythen des Alltags
Duschen
Was das Brausen über uns sagt
Wieder spät dran, der Wecker hat schon dreimal geklingelt. Noch schnell unter die Dusche, das eiskalte Wasser prasselt ins Gesicht – sofort ist man wach. Oder doch eher der Typ Morgenmensch: direkt nach dem ersten Alarmton aufstehen, ausgiebig frühstücken und in aller Ruhe unter die warme Dusche, um entspannt in den Tag zu starten.
Duschgewohnheiten sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich, auch wenn sich die Tätigkeit an sich kaum unterscheidet. Die einen duschen morgens, die anderen lieber abends, manche jeden Tag und manche nur, wenn sie Sport gemacht haben. Über Zeitpunkt und Häufigkeit erfährt man relativ schnell etwas, wenn dieses Thema zufällig zur Sprache kommt. Worüber man meist nicht redet? Über die Temperatur, die Duschzeit oder ob man sich währenddessen noch die Zähne putzt. Aber genau bei diesen Dingen wird es besonders interessant. Denn es gibt Studien und Umfragen, die behaupten, dass man anhand von Duschgewohnheiten die körperliche Gesundheit, die mentale Grundstimmung und die Lebensgewohnheiten eines Menschen ablesen kann.
Eine Frage, die sich bei jedem Duschen stellt: warm oder kalt? Im Winter wird vorwiegend warm geduscht, im Sommer eher kühler. Neben der Regulation von Körperwärme und Außentemperatur habe der Wärmegrad des Wassers weitere Einflüsse auf das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit. Warmes Duschen sorge für eine Erweiterung der Blutgefäße und einer damit einhergehenden Relaxation der Muskeln.[1] Neben dem Grund der Reinigung und Körperpflege würden rund 44 % der Deutschen den Effekt von warmen Wasser bevorzugen und hauptsächlich zur Entspannung duschen.[2] 33 % dagegen gehe es vor allem um einen frischen Start in den Tag[3], kalt Duschen rege die Durchblutung an und mache wacher.[4] Vor allem für Sportler solle sich das tägliche Kalt-Duschen als eine Ergänzung zum Sport eignen, da ähnliche Prozesse wie beim Ausdauertraining in Gang gesetzt werden.[5] Die erhöhte Produktion von Mitochondrien sorge für mehr Energie, die angeregte Durchblutung für einen besseren Blutdruck, und das Immunsystem werde gestärkt.[6]
Doch es existieren auch Vorurteile zu den verschiedenen Wassertemperaturen. Das Stereotyp über den Kaltduscher klingt einleuchtend: Er gilt als fit und aktiv. Demgegenüber steht das eher unlogisch klingende Stereotyp über den Warmduscher: Er gilt als schwächlich und feige. Woran liegt das? Der Begriff »Warmduscher« bekam seine klischeehafte Begriffsdefinition durch einen Gag zugewiesen. In einer satirischen Kommentierung der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 bezeichnete Harald Schmidt den Nationalspieler Jürgen Klinsmann als »Warmduscher« und löste damit einen medienwirksamen Skandal aus – das Stereotyp des Warmduschers wurde geboren.[7]
Zusätzlich zum körperlichen Wohlbefinden solle man auch die mentale Grundstimmung eines Menschen anhand der von ihm favorisierten Wassertemperatur erkennen können. Warm Duschen solle nicht nur den Körper entspannen, sondern auch den Geist. Die Erweiterung der Blutgefäße würden zu einer Erweiterung des Bewusstseins führen und die Gedanken zur Ruhe kommen lassen. Kalt Duschen hingegen spreche das sympathische Nervensystem an. Es sorge für die erhöhte Produktion von Endorphinen und Noradrenalin und erhöhe den Adrenalinspiegel: Die Konzentrationsfähigkeit werde gesteigert und die Stimmung gehoben. Aufgrund diesen Effektes empfehlen einige Forscher sogar das Duschen mit kaltem Wasser als eine Maßnahme zur Therapie von Depressionen.[6] Laut einer Studie der Yale University duschen vor allem einsame Menschen mit wenig sozialen Kontakten sehr warm und lange. Die Wärme und Entspannung, die aufgrund der Erweiterung der Blutgefäße entstehe, sorge für ein »in Watte gehülltes« Gefühl und imitiere die menschliche Wärme.[8]
Zum Thema »Duschzeit« existiert eine ausführliche Umfrage. Die kürzeste Duschzeit sei bei rund 19 % der Deutschen der Fall: Sie duschen unter fünf Minuten.[9] Zu ihnen würden die Menschen gehören, die kaltes Wasser für einen frischen Start in den Tag bevorzugen. Etwas länger dusche die Mehrheit der Befragten, bei denen der Hauptzweck der Körperreinigung erfüllt werden solle: Rund 39 % duschen zwischen fünf bis zehn Minuten, laut Dermatologen eine ideale Zeit, um die Haut nicht zu überstrapazieren.[10] Zwischen zehn bis fünfzehn Minuten würden 16 % der Deutschen duschen.[11] Bei ihnen stehe eine längere Entspannung im Vordergrund, meist in Kombination mit warmen Wasser. Die Spitzenzeit im Duschen von über fünfzehn Minuten würden insgesamt 17,6 % der Befragten erreichen: 9 % duschen über fünfzehn Minuten, 5,6 % bis zu zwanzig Minuten, rund 2 % mehr als zwanzig Minuten und rund 1 % dusche über dreißig Minuten.[12] Je länger die Duschzeit, desto mehr steige die Wahrscheinlichkeit von Einsamkeit.[13] Dass fast 34 % der Deutschen es lieben, ausgiebig und lange zu duschen, muss allerdings kein Grund zur Sorge sein. Mit der Yale-Studie im Hinterkopf sollte man im Blick behalten, dass einsame Menschen zwar lange duschen, aber nicht jeder, der lange duscht, auch einsam ist.
Und zum Schluss der am häufigsten vergessene Aspekt des Duschens – die zusätzlichen Routinen. Ob aus Gründen des Zeitdrucks oder zum Wassersparen, 46 % der Deutschen würden während des Duschens noch weitere Tätigkeiten erledigen.[14] Vor allem das Zähneputzen sei eine besonders beliebte Gewohnheit, die meist morgens mit einem Sprung unter die Dusche kombiniert werde. Auch die Rasur finde häufig unter der Dusche statt: Männer würden sich vorwiegend bei der morgendlichen Dusche rasieren, Frauen eher abends.
Wenn man, laut den Studien und Umfragen, so viel über einen Menschen allein anhand seiner Duschgewohnheiten herausfinden kann – warum wird das nicht im Alltag genutzt? Wie wäre es, wenn man sich bei einem ersten Kennenlernen nicht mit seinen Interessen, sondern direkt mit seinen Duschgewohnheiten vorstellte? Dann könnte man mit der Aufzählung von nur einer Gewohnheit alles über den Gegenüber erfahren – und spart sich langweilige Standardfragen.
Also: Warmduscher, 5 Minuten, ohne zusätzliche Routinen. Und Sie?
- [1] Schimmelpfennig GmbH & Co. KG: Unsere Duschfakten: Heiß, Kalt oder Wechseldusche? URL: https://www.badshop.de/heiss-oder-kalt-duschen-und-weitere-duschfakten (Stand: 14.11.2022).
- [2] ebd.
- [3] Hansgrohe SE: Presseinformation. URL: https://badezimmer.com/document/33.415/Hansgrohe-Studie (Stand: 9.1.2023).
- [4] Budde, Jannis: Kalt duschen: Vorteile und Schritt-für-Schritt Anleitung. URL: https://www.primal-state.de/kalt-duschen/ (Stand: 14.11.2022).
- [5] ebd.
- [6] ebd.
- [7] Richter, Christian: Der Fernsehfriedhof: Harald Schmidt und die Schwuchtel-WM. URL: https://www.quotenmeter.de/n/42510/der-fernsehfriedhof-harald-schmidt-und-die-schwuchtel-wm (Stand: 14.11.2022).
- [6] Theofilopoulos, Zoi: Warum sollte man jeden Tag kalt duschen? URL: https://www.viactiv.de/deshalb-solltest-du-jeden-tag-kalt-duschen#:~:text=Kalt%20duschen%20macht%20gl%C3%BCcklich,von%20Endorphinen%20und%20Noradrenalin%20erh%C3%B6ht (Stand: 14.11.2022).
- [8] Bargh, J. A., & Shalev, I.: Emotion. The Substitutability of Physical and Social Warmth in Daily Life. URL: https://acmelab.yale.edu/sites/default/files/2011_the_substitutibility_of_physical_and_social_warmth.pdf (Stand: 14.11.2022).
- [9] Duschmeister GmbH & Co. KG: Deutschlands Dusch-Diagnose. URL: https://www.duschmeister.de/service/dusch-diagnose/ (Stand: 9.1.2023).
- [10] ebd.
- [11] ebd.
- [12] ebd.
- [13] Bargh, J. A., & Shalev, I.: Emotion. The Substitutability of Physical and Social Warmth in Daily Life, a. a. O.
- [14] Dittrich, Lisa: Eine Umfrage zeigt, was die Deutschen wirklich unter der Dusche machen – und was sie künftig ändern sollten. URL: https://www.businessinsider.de/wissenschaft/duschverhalten-deutsche-energiesparen-geldsparen-klimaschutz-a/ (Stand: 13.11.2022).