Buchbesprechung
»… ein breites Halbwissen …«
Armin Reins über »Corporate Language«
Das Inhaltsverzeichnis von Armin Reins »Corporate Language« gleicht einem gut sortierten Supermarkt-Regal, man findet darin sowohl das Interview mit einem Entertainer, als auch mit einem renommierten Hirnforscher, »24 Gesetze der Verführung« nach Vorbild Casanovas, gefolgt von der Analyse einer Dessous-Kampagne. Angereichert wird das buntgemischte Sortiment mit zahlreichen Fallbeispielen aus der Welt der Werbung, von Anzeigen für Wasser bis zum Branding für Wein. Und schon auf den ersten Seiten wird klar: Gute Texte sind in der Branche noch immer Mangelware. »Corporate Language« schafft Abhilfe.
Grob gliedert sich das Buch in zwei Teile: Der erste führt die Wichtigkeit von Sprache für das »brand building« vor Augen und gibt konkrete Anleitung, wie man zu einer Corporate Language für eine Marke oder ein Unternehmen findet. Der zweite Teil präsentiert eine Sammlung von Fallbeispielen. In Interviews kommen Marketing Leiter und Werbefachleute von großen Unternehmen wie Nivea, Ikea oder Mercedes zu Wort, die es erfolgreich geschafft haben, eine authentische Corporate Language zu etablieren. Dieser Interviewteil eröffnet spannende Einblicke in die Markenphilosophien und die Strategien hinter den großen Werbekampagnen.
Reins plaudert munter aus dem Nähkästchen eines Werbetexters. Die im Laufe seiner Karriere zusammengestellten Thesen untermauert er mit reichlich Anschauungsmaterial aus seinem Arbeitsalltag. »Corporate Language« ist gewiss keine wissenschaftliche Lektüre, verfolgt aber auch gar nicht diesen Anspruch. Die Kapitel zur Hirnforschung oder dem NLP (Neuro-Linguistisches-Programmieren) bleiben eng auf ihren Nutzen in der Werbesprache zugeschnitten und werden vom Autor in kleinen Appetit-Häppchen serviert. Reins spricht mit Menschen aus unterschiedlichen Forschungs- und Tätigkeitsfeldern, die alle am großen Kuchen »Sprache« naschen, und pickt sich die Rosinen heraus — also all das, was für die Arbeit des Werbetexters nützlich ist. Das entspricht auch ganz seiner Überzeugung, dass »gute Texter ein breites Halbwissen [haben].«
»Schreibt kürzer, schreibt klarer, schreibt bildhafter, hörbarer, anfassbarer und fühlbarer.« Dieser Forderung bleibt Armin Reins treu. Der Autor schreibt in kurzen, ja sogar verkürzten Sätzen und ist dabei überzeugend. »Corporate Language« liest sich wie ein Werbetext für gutes Werbetexten. Mühsam wird das Lesen nur, wenn man über das branchenspezifische Fachvokabular stolpert. Wörter wie UBP (Unique Buying Proposition) können dem CI-Laien die Lust am Lesen schmälern. Reins lockerer, leicht verständlicher Schreibstil sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dieser Businessratgeber gezielt an Werbetexter, Kommunikationsstrategen und Marketingleiter richtet, Otto-Normalverbraucher kann mit Kosten-Nutzen-Überlegungen oder einer CL-Checkliste nur wenig anfangen. Neben den zahlreichen Paradebeispielen aus der internationalen Werbewelt vergisst Reins auch nicht, Werbung in eigner Sache zu machen. Die Unterpunkte seines CL-12-Schritte-Programms, einer der Kerninhalte, lässt er wohlweislich unkommentiert, die erwarteten Einblicke in ein bestehendes CL-Manual bleiben aus. Stattdessen flattert dem Leser beim Aufschlagen des Buches ein Formular zur Seminaranmeldung entgegen.
Zentrale Thesen und Schlüsselaussagen werden optisch hervorgehoben, ebenso wie die in Signalfarbe unterlegten Definitionen von Fachbegriffen. Dadurch bekommt Reins »Corporate Language« an manchen Stellen Lehrbuch-Charakter. In jedem Fall ist es ein Handbuch, das man bei der Konzeption der nächsten Kampagne auch tatsächlich wieder zur Hand nimmt, finden sich darin doch Arbeitsanleitungen zur sprachlichen Textgestaltung, die direkt umsetzbar sind. Es ist das Ass im Ärmel für jeden, der beim nächsten Teammeeting mit zielgerichteten Claim-Vorschlägen brillieren will. Tatsächlich ist das Kapitel zur Claim-Findung nach der CL-Methode auch jenes, das die konkretesten Einblicke in die Herangehensweise eines Texters bei der Sprachgestaltung gibt und gleichzeitig auch den höchsten Unterhaltungswert hat. In amüsanter Weise wird dem Leser die Unsinnigkeit einiger der bekanntesten englischsprachigen Claims vor Augen geführt, wie »Mitsubishi — Drive alive«, vom Autor übersetzt mit »Die Fahrt überleben«. Oder »Douglas — Come in and find out — Komm rein und find wieder raus.« Äußerst kurzweilig ist auch das Kapitel, in dem Reins die Werbung für ein Produkt mit dem Werben um eine Frau gleichsetzt. Der Autor scheut dabei nicht den Vergleich mit Giacomo Casanova. Spätestens wenn Reins die Brücke von den Verführungskünsten des berühmten Schürzenjägers zu den Verführungsstrategien der Werbung schlägt, wird selbst der kritische Leser schwach und ist sich sicher, mit Corporate Language seinen Schatz gefunden zu haben.
Der Designer sollte dringend aufhören, Texte nur »als lästiges Beiwerk, als Grauwert« zu sehen. In der Werbung kommen Bilder selten ohne Worte aus. Dafür können Wörter eine Menge Bilder produzieren, sie können unser Kopfkino wecken.