4. Engagement und Widerstand: selber aktiv werden
Die genannten Aspekte der Authentizitätserzeugung durch Ungeschliffenheit lassen sich durch Merkmale ergänzen, die in der antiken Rhetorik nicht oder nur am Rande angelegt sind, die jedoch gerade im Kontext der terroristischen Propaganda von Bedeutung sind.
Erstens kann sich in der nicht perfekten Kommunikation Eigeninitiative und Selbstermächtigung manifestieren. Die einfache, wenig elaborierte Rede kann von einem besonderen persönlichen Engagement zeugen, indem ausgedrückt wird: »Ich kann es zwar nicht besser, habe nicht das Geld, die Macht, aber ich versuche es trotzdem, mit allen mir verfügbaren Mitteln.« Gerade in der Imperfektion der Mittel zeigt sich mitunter, dass die sprechende Person persönlich involviert ist und sie sich für eine Sache einsetzt, die ihr persönlich wichtig ist.
Damit kann die ungeschliffene Ausgestaltung zweitens auch für den Widerstand gegen ein System stehen, insbesondere gegen die Kommunikationskultur der Mächtigen: »Wir wehren uns, wir leisten Widerstand. Wir machen es anders als die anderen.« Damit wird auch ausgedrückt, dass es »um die Sache und nicht um die Form« geht.
Der Eindruck von persönlichem Engagement, Widerständigkeit und Fokus auf die Inhalte kann authentisch wirken und zur Legitimation des eigenen Tuns beitragen.
5. Terror – oder das Ende der Authentizität?
Betrachtet man die visuelle Kommunikation von Terrororganisationen (was an dieser Stelle lediglich im Sinne eines Denkanstoßes getan werden kann), so lässt sich vor allem bei den westlichen, linksgerichteten Terrorgruppierungen der 1970er Jahre, der Roten Armee Fraktion (RAF) und den Roten Brigaden (Brigate Rosse), tatsächlich der Einsatz von wenig perfektionierten, beinahe »selbstgebastelt« wirkenden Kommunikationsmitteln finden:

Abbildung 1: Den Medien zugesandte Fotografie des von der RAF entführten, und später ermordeten Hans Martin Schleyer, erstmals erschienen in der französischen Zeitung »Libération«, 28.9.1977.

Abbildung 2: Foto des Entführungs- und späteren Mordopfers Aldo Moro, das die Roten Brigaden am 20.4.1978 an die Medien versandten.
Auf den Fotos der Entführungsopfer sind offensichtlich improvisierte Installationen und von Hand hingepinselte Schilder zu sehen, die Logos sind selbst gestaltet, die Aufrufe in linken Zeitschriften oder an Hausmauern bestehen aus grob zusammenbeklebten Text-Bild-Arrangements und krakeliger Handschrift, und auch die schreibmaschinengetippten Bekennerbriefe wirken laienhaft und unbeholfen.

Abbildung 3: Kampfplakat aus dem Umfeld der RAF nach der Erschießung von Thomas Weisbecker, 1972. Abgebildet in: Sichtermann, Kai; Johler, Jens; Stahl, Christian: Keine Macht für niemand. Die Geschichte der Ton Steine Scherben. Berlin 2003. S. 105.

Abbildung 4: Aufruf der RAF in der links-anarchistischen Berliner Zeitschrift »Agit 833«, Nr. 61 1970, S. 2. (http://www.socialhistoryportal.org/sites/default/files/raf/0019700522_4.pdf)