Buchbesprechung
»Jeden Tag einen Schlag ins Gesicht«
Bérengère Viennot über die Sprache des Donald Trump
»Wie kann man sich von einer Ohrfeige wegducken, wenn ihr Urheber so viele Arme zu haben scheint, wie die Medusa Schlangen auf dem Haupt?« (S. 40), fragt Bérengère Viennot und meint damit die Reden, Auftritte und Tweets des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.
Viennot, die seit zwanzig Jahren in der französischen Presselandschaft als Übersetzerin heimisch ist, möchte sich gar nicht mehr vor diesem Staccato an verbalen Hieben in Sicherheit bringen, im Gegenteil: Man müsse sich trauen, Trump zu übersetzen (vgl. S. 20), sei er doch nicht weniger als »Ursache und Wirkung eines neuen Amerika« (S.13). Nicht zuletzt dieser drastischen Einschätzung wegen legte Viennot mit »Die Sprache des Donald Trump« eine persönliche Deutung vor, die vor der Abwahl Trumps erschienen ist.
Die Autorin umreißt einleitend ihre Profession: »Übersetzen bedeutet, eine Botschaft aus der einen in die andere Sprache zu übertragen« (S. 15) und dennoch sei die Art des Sprechens ebenso wichtig, wie die Botschaft des Textes (vgl. S. 32). Verfügt die Übersetzerin also über kontextuelles Wissen, beispielsweise zum Umfeld der sprechenden (oder schreibenden) Person und zu den Unterschieden zwischen Ursprungs- und Zielkultur des Textes, dann endlich kann guten Gewissens mit der Arbeit begonnen werden. Kurzum: Man ist beim Transfer zwischen den Sprachen auf der Suche nach einem semantischen und syntaktischen Gleichgewicht.
Was aber tun, wenn die zu übersetzende Person einerseits das mächtigste Amt der jüngeren Menschheitsgeschichte innehat und andererseits mit dem »Wortschatz eines Sechstklässlers« (S. 38) hantiert? »Je präziser, gelehrter und zugespitzter die Begriffe, desto klarer ihre Bedeutung, während Vielzweckwörter meist unspezifischer, manchmal geradezu sinnentleert wirken« (S. 33), bringt Viennot ihre handwerklichen Probleme mit Trumps Äußerungen auf den Punkt.
Soweit die Grenzen der Sprache die Grenzen der eigenen Welt abstecken, wie der Philosoph Ludwig Wittgenstein schrieb, dürfte sich der amerikanische Präsident recht beengt fühlen: Ein redundantes »Great!«, »Sad« oder »Wow!«, das syntaktische Brachland Trumps öffentlicher Reden und die gebetsmühlenartige Revidierung der prädidiale Aussagen im Nachhinein, sei es durch ihn selbst oder mittels seiner Berater und Pressesprecher – all dies nötigt die Übersetzerin Viennot, ihre »Arbeitsweise radikal umzustellen« (S. 12).
Wenngleich die so eröffnete Perspektive – die der Spracharbeiterin nämlich – eine tiefere Analyse in Aussicht stellt, so zerfasert das Buch doch in vage zusammenhängende Essays, die den amerikanischen Ex-Präsidenten mehr als Ausgangs-, denn Mittelpunkt der dargebrachten Überlegungen begreifen.
Der Abschnitt zu Melania Trump etwa, der mit der Beteuerung beginnt, dass es kein Kapitel über die First Lady geben werde (S. 52), endet bereits fünf Seiten später dank der Einsicht, dass deren Kommunikationsstil mit Wörtern nichts zu tun habe und sich die Autorin deshalb außer Stande sehe, darüber zu schreiben.
Ebenfalls ein ganzes Kapitel widmet Viennot einer von ihr vermuteten Legasthenie des amerikanischen Präsidenten und versieht diesen Text an immerhin vier Stellen mit einem Hinweis darauf, dass sie sich hierbei außerhalb ihrer Profession bewegt und ihre Einschätzung demnach mit Vorsicht zu genießen ist – »Küchenpsychologie« (S. 92) eben.
Dennoch gewähren die geschulten Augen der Presseübersetzerin an mancher Stelle einen durchaus klaren Blick auf Trumps rhetorische Waffenkammer. Für sie steht fest, dass seine Sprache eine Form der Gewaltausübung, die Festigung seiner inhärent dominanten Position darstellt. Die Parallele zur momentane Lage der US-amerikanischen Gesellschaft offenbart sich da schon fast von selbst. Überhaupt seziert Viennot Trumps Amerika pointiert, wenngleich ihre Sicht eine sehr französische, also die einer Außenstehenden bleibt.