Pricken versammelt in seinem Buch über »Kreativitätstechniken und Brain-Tools für Werbung und Design« einige Dutzend Bildbeispiele international erfolgreicher Werbekampagnen und ordnet diese in 24 Kapitel. Dieses Buch erhebt den Anspruch mehr zu sein, als ein Bilderbuch und tatsächlich Methoden innovativer Bildfindung anschaulich zu machen und vermitteln zu können, so dass diese Kapitel als einzelne Techniken herausgestellt werden. Dass es Pricken dabei ausschließlich um Techniken der Ideenfindung geht, also allein um die ars inveniendi und eben nicht um die ars iudicandi, wird deutlich, wenn er sagt: »Trennen Sie die Ideenfindung konsequent von der Ideenbewertung.«[7] Unfug und Unsinn wird also nicht ausgeschlossen, sondern bleibt im Pool kreativer Lösungsoptionen. Findung vollzieht sich bei Pricken durch Fragen wie „Wie lässt sich durch Schock der Produktnutzen dramatisieren?“[8], »Wie lässt sich durch eine Paradoxie der Produktnutzen einprägsam darstellen?«[9] oder »Wie schafft es eine Wiederholung, Aufmerksamkeit zu erregen?«[10] Obgleich Pricken in diesen Fragen auch Aspekte einer Wirkungsästhetik und damit eines Publikumsbezug anspricht, findet sich zu diesem Aspekt keine weitere Erklärung und soll daher hier vernachlässigt werden. Zentral ist für Pricken allein die auf das kreative Moment verkürzte Fragestellung: Welches Attribut an einem Produkt lässt sich herausstellen, wenn mit den Mitteln der Provokation, der Paradoxie oder der Wiederholung gearbeitet wird? Oder anders: Unter der Perspektive einer beispielsweise auf Provokation angelegten Bildidee tritt welches Element am deutlichsten hervor? Noch einmal anders: Welche Aspekte eines Produktes werden betont, sichtbar, bedeutsam, wenn das Produkt bzw. dessen Bewerbung im Zuge einer semantischen Identifikation von etwas als etwas anderem als provokant, bzw. provozierend identifiziert wird? Ein mögliches Ergebnis sehen wir hier:
Abbildung 1[11]
Haustiere lassen sich klarer Weise auch über andere Attribute bewerben, der sogenannte Aschenputteleffekt aber erscheint unter der Perspektivierung auf Provokation zur Steigerung des attentum parare als naheliegenderer Vergleichspunkt als etwa Themen wie Treue des Hundes, Haustier als Kindersatz oder allgemeine Knuffigkeit.
Insgesamt bedient sich Pricken zur Ideenfindung dem ganzen Katalog rhetorischer Figuren: Klimax, Synekdoche, Metapher, Antithese, Wortspiel, Chiasmus, Personifikation, und vielen mehr. In dieser Weise leistet Pricken, wenngleich deutlich weniger theoriegeleitet, was etwa Bonsiepe oder Doelker bereits getan haben: Diese zeigen, dass Werbung voller rhetorischer Figuren steckt und leiten daraus die rhetorische Analysierbarkeit der Werbung ab. Pricken jedoch betrachtet dieses Verhältnis nicht von der Seite der Rhetorik, sondern von der Seite der Werbepraxis, die sich fragt, auf welche Weise sich Bildideen für Werbezwecke generieren lassen, und greift von hier aus auf die Rhetorik zurück.
Das Buch »Universal Principles of Design« verfolgt eine andere Strategie. Hier werden 125 Prinzipien, die versprechen ein »understanding [of] human percetion and meaning making«[12] zu geben, vorgestellt. Was hier als universelle Prinzipien benannt wird, meint »laws, guidelines, human biases, and general design considerations«, die vor allem einem wahrnehmungspsychologischen und gestalttheoretischen Umfeld entspringen. Insofern unterscheidet sich auch schon die Darstellungsweise im Vergleich zu Pricken massiv: sehr viel theoretischer, mit Verweisen auf Forschungsliteratur, Bilder haben hier einen illustrativen Charakter, es wird Wert darauf gelegt, die Wechselwirkungen zwischen den Prinzipien deutlich zu machen, die Anordnung folgt keiner inhaltlichen Logik, sondern ist alphabetisch. Aus all diesen Gründen wird ein solches Buch auch von Gestaltungsstudenten eher weniger bei konkreten Bildfindungsschwierigkeiten konsultiert, da hier mehr Grundlagen der Wahrnehmungspsychologie verhandelt werden. Nichtsdestotrotz versteht sich diese Publikation als technisches Hilfsmittel bei kreativen Prozessen und der Schlüssel hierzu liegt ganz klar in der besonderen Betonung der Fragen nach der Bedeutungsgenerierung im Formgebungsprozess. Anders als bei Pricken, der die Pointen erfolgreicher Kampagnen präsentiert, aber kaum das Zustandekommen des Witzes erklärt, kann »Universal Principles of Design« tatsächlich als Topik verstanden werden. Es werden Leerformen im Sinne psychologischer Muster als »well-established design principles« präsentiert, »[to increase] the probability that a design will be successful«.[13] Dies nun im Einzelnen vorzustellen ist hier nicht möglich, daher will ich an einem der 125 möglichen Beispielen zeigen, was unter einer Designtopik verstanden werden kann. Alle Darstellungen der Prinzipien sind ähnlich aufgebaut:
1. Der Name des Prinzips: Dieser ermöglicht es nicht nur gezielt danach zu suchen, sondern auch sich darüber mit anderen zu verständigen.
Beispiel: “Cognitive Dissonance.”[14]
2. Kurzerklärung: In einem Satz wird das Prinzip zusammengefasst, wodurch ein Überfliegen des Buches möglich wird. Der Topos erhält so einen Merksatz: “A tendency to seek consistency among attitudes, thoughts, and beliefs.”[15]
3. Erklärung: Es folgt eine ausführlichere Erklärung, die in diesem Falle auch die Strategien enthält, wie Menschen im Allgemeinen mit Phänomenen kognitiver Dissonanz umgehen: „reducing the importance of dissonant cognitions, adding consonant cognitions, or removing or changing dissonant cognitions.“[16]
4. Anwendungspraxis: Hier werden die möglichen Situationen angesprochen, in denen der Einsatz eines solchen Mittels sinnvoll sein kann: “Consider cognitive dissonance in the design of advertising and marketing campaings, or any other context where influence and persuasion is key. Use consonant and dissonant information when attempting to change beliefs.”[17] Usw.
5. Querverweise: Welche anderen Prinzipien stehen mit diesem in Wechselwirkung?
Im Sinne einer Designtopik werden hier nicht konkrete Lösungen präsentiert, sondern allgemeine Fundorte möglicher Bedeutungsgenerierung und als bedeutungsgenerierende Techniken gehören diese Topoi in den Bereich einer Kreativität als Erkenntnisinstrument.
- [7] Pricken, Mario: Kribbeln im Kopf. Kreativitätstechniken und Brain- Tools für Werbung und Design. Mainz 2003. S. 18.
- [8] a. a. O., S. 79.
- [9] a. a. O., 72.
- [10] a. a. O., S. 55.
- [11] a. a. O., S. 77. Haustierwerbung.
- [12] Lidwell, William; Holden, Kritina; Butler, Jill: Universal Principles of Design, Revised and Updated. Beverly 2010. S. 11.
- [13] a. a. O., S. 13.
- [14] vgl. a. a. O., S. 46 f.
- [15] ebd.
- [16] ebd.
- [17] ebd.