Der Konflikt ist treibende Kraft jeder Story und somit ein essentieller Bestandteil. Erst durch ihn kommen die Ereignisse ins Rollen. Während bei Erzählungen in Film- und Buchform eine ganze Verkettung von Konflikten die Handlung bestimmen können, müssen sich die Werbe- und Marketingexperten aufgrund der kurzen Erzählzeit auf einen einzigen Konflikt konzentrieren. Im Kontext der Unternehmenskommunikation wird der erzählerische Konflikt so konstruiert, dass er mit Hilfe des Produktes gelöst werden kann. Dabei kommt dem Konsumenten die Figurenrolle des »Helden« zu, während die Marke die Rolle des »Mentoren« belegt[20]. Auch wenn Geschichten in der Unternehmenskommunikation verschiedenste Inhalte behandeln und auf unterschiedlichste Weise umgesetzt werden, sind sie doch stets nach diesem Stickmuster konzipiert.
In diesem Beispiel besteht der Konflikt darin, dass die Bewohner der Stadt während der sechsmonatigen Polarnacht mit ihren Lebensumständen hadern. Am Ende der Produktstory hat die Lampe die Lebensqualität jedes Bewohners gesteigert, der sie getestet hat. Das Problem der Schlaftrunkenheit, über die die Menschen in Longyearbyen klagten, wurde von Philips gelöst. Diese Auflösung ist wenig überraschend, aber deshalb nicht weniger effektiv. Das Selbstverständnis der Marke Philips, das Leben von Menschen durch technische Innovation zu verbessern, wird mit dieser Geschichte eindrucksvoll bewiesen. Die Selbstinszenierung der Marke als Problemlöser provoziert geradezu die Überzeugung des Gegenübers. Durch unsere Empathie für die Protagonisten kommt dem hilfestiftenden Produkt ein emotionaler Wert zu. Das Produkt wird anhand dieser Beispielgeschichte emotional aufgeladen, was bis auf die Marke als solche abstrahlt.
Dass die Story im Internet so oft angesehen und auf sozialen Netzwerken geteilt wurde, ist nicht zuletzt ein Verdienst des strategisch gewählten, ungewöhnlichen Settings. Nach Ansicht des Schriftstellers Sol Stein sei die rechte Intention, Geschichten zu schreiben, dem Leser damit eine Erfahrung zu vermitteln, »(…) die über sein alltägliches Erleben hinausreicht«[21]. Bei McKee heißt es: »Storys handeln nicht von Mittelmäßigkeit, sondern von Extremen des Daseins, von Grenzerfahrungen, von intensiv gelebtem Leben.«[22] Daraus lässt sich ableiten, dass uns besonders solche Geschichten anziehen, die uns einen ungewöhnlichen oder neuen Blick auf das eigene Leben ermöglichen. Dies muss in der Unternehmenskommunikation aber nicht zwingend anhand von Produktstories geschehen, wie ein anderes Beispiel zeigen wird.
Glaubensbekenntnis: Wie Geschichten das Markenimage formen
Erzählungen bieten den Vorteil, dass sich mit ihnen nicht nur der Wert eines Produktes demonstrieren lässt, sondern auch die Tradition, die Philosophie, die Vision und die Werte einer Marke. So dienen sie immer öfter gezielt dazu, das Image einer Marke auszuschärfen und zu stärken.
Während das Warenangebot immer weiter wächst, gleichen sich die Produkte verschiedener Hersteller immer stärker an. Eine Entwicklung, die schon in den 1990er Jahren zu erkennen war.[23] Besonders bei Elektrogeräten sind, aufgrund des heutigen technischen Standards, kaum mehr Unterschiede zwischen den Produkten auszumachen[24], weshalb Produkteigenschaften immer seltener als Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz taugen.[25] Und so werden bei der Kaufentscheidung immer öfter Markenwerte zum Zünglein an der Waage. Sie bestimmen zunehmend den Inhalt von Marketingmaßnahmen, mit dem Ziel sich über moralische oder emotionale Werte von anderen Marken abzugrenzen.
Der inhaltliche Paradigmenwechsel weg von unternehmensinternen Inhalten (Inside-Out), hin zu Themen von öffentlicher Relevanz (Outside-In), trägt auch der Tatsache Rechnung, dass sich der Rahmen, in dem strategische Kommunikation stattfindet, gewandelt hat.[26] Der moderne Adressat ist schwer erreichbar, denn er hat mehr Kontrolle darüber, welche Werbung er sich tatsächlich ansieht. Um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, müssen Werbetreibende stärker auf die Interessen des Adressaten eingehen als zuvor, also zu den Zeiten, in denen die Inhalte einer Maßnahme maßgeblich daran gemessen wurden, wie gut sie der Marke dienen.[27]. Themen, die den Zeitgeist widerspiegeln oder in Bezug zum Leben des Adressaten stehen, werden von ihm als relevant eingestuft und erregen somit seine Aufmerksamkeit. Und wie sich zeigt, lässt sich aus Themen von öffentlicher Relevanz hervorragend Profit schlagen.
Ein Beispiel, dem große mediale Aufmerksamkeit zu Teil wurde, ist der Amazon Prime Weihnachtsspot des Jahres 2016. Der TV-Spot erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen einem Priester und einem Imam. Dabei wird dem Rezipienten in erster Linie vor Augen geführt, wie ähnlich sich die Männer trotz aller Unterschiede sind.
- [20] vgl. Sammer, Petra: Storytelling. Die Zukunft von PR und Marketing. Köln 2014. S. 102 f.
- [21] Stein, Sol: Über das Schreiben. Frankfurt am Main 2005(9). S. 11 f.
- [22] McKee, Robert: Story. Die Prinzipien des Drehbuchschreibens. Berlin 2016(10). S. 159.
- [23] vgl. Demuth, Alexander: Corporate Communications. Strategisch aufgebaute Kommunikation. In: Kalt, Gero (Hg.): Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Instrumente, Strategien, Perspektiven. Frankfurt am Main 1993(4), S. 80.
- [24] vgl. Reins, Armin; Classen, Veronika; Czopf, Geza: Text Sells. Wie Sie Texte schreiben, die wirken. Wie Sie Unternehmen und Marken durch Sprache Profil geben. Mainz 2015. S. 80 f.
- [25] vgl. Sammer, Petra: Storytelling. Die Zukunft von PR und Marketing. Köln 2014. S. 57.
- [26] vgl. Sammer, Petra; Heppel, Ulrike: Visual Storytelling. Visuelles Erzählen in PR und Marketing. Heidelberg 2015. S. 221.
- [27] vgl. Teixeira, Thales: The New Science of Viral Ads. In: Harvard Business Review, 2012. URL: https://hbr.org/2012/03/the-new-science-of-voral-ads (6.4.2017).