Die folgende Abbildung (Abb. 3) löst das Rätsel auf und ordnet den Zeilen die entsprechenden Parteien zu.
Vorausgesetzt, der oben formulierte Eindruck stabilisierte sich auch in belastbaren Tests: Was bedeutete das für das Erreichen der Wirkungsabsichten, die Gestalter mit dem Einsatz solcher Gestaltungsmittel verbinden? In den Design Manuals der Parteien werden explizit und implizit Wirkungsabsichten formuliert, Wiedererkennbarkeit, Markanz, Auffälligkeit im Wettbewerb zählen häufig dazu. Werden diese Wirkungsabsichten tatsächlich erreicht? Können sie erreicht werden? Für eine Designwirkungsforschung eröffnen sich vor diesem Hintergrund viele spannende Fragen. Verfügen die Gestaltungsdisziplinen über ein ausreichendes und etabliertes Methodenrepertoire zur Erforschung solcher Fragen, zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen Wirkungsabsichten, Gestaltungsmittel und Wirkungen?[9]
Auf der Grundlage der Gestaltungsrichtlinien habe ich Wahlplakate untersucht, ihre Wirkungsabsichten, die eingesetzten verbalsprachlichen und gestalterischen Wirkmittel und Wirkungen hinterfragt und Pathos-, Ethos- und Logos-Appelle geprüft. Eine Darstellung der Detailauswertung sprengte den Rahmen dieses Essays. Deshalb begnüge ich mich damit, einige Schlussfolgerungen zur Gestaltung von Wahlkampfmedien anzuführen:
• Parteien gehen vergleichbar professionell vor wie Unternehmen, Gestaltungsrichtlinien sorgen für einen einheitlichen Auftritt einer Partei. Dabei wird häufig explizit versucht, veränderten Sehgewohnheiten gerecht zu werden.
• Design soll der Persuasion dienen. Die Gestaltungsmittel, die für sich genommen keine Argumente sind, sollen die Appelle an Pathos und Ethos unterstützen, Gestaltung kann direkt und oft stärker als Verbalsprache Affekte erregen und somit die Glaubwürdigkeit des Senders stärken. Dies gelingt insbesondere dann, wenn Gestaltungsmittel (wie Farbe, Typografie, Bildelemente) in einer angemessenen Wechselwirkung zum Text treten.
• Design selbst bringt in der Regel keine politischen Argumente hervor, kann aber sehr wohl deren Vermittlung befördern. In einer faktenorientierten Kommunikation kann die Gestaltung den Rezipienten dabei helfen, sich Argumenten zuzuwenden. Das Design legt dann einen Zugang frei zu den Sachargumenten, es kann somit einer langfristigen Überzeugung im Sinne einer argumentativ gebundenen Wahrhaftigkeit förderlich sein.
• Gestaltungsmittel können allerdings auch Ethos und Pathos überbetonen und durch ihre stark affektive Kraft von Argumenten ablenken oder gar dazu beitragen, den Zugang zu Argumenten zu versperren oder das Fehlen von Argumenten zu übertünchen.
• Gestalterische Professionalität und argumentative Qualität müssen sich also nicht entsprechen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Das Design hübscht sie nicht bloß auf, es gestaltet in wesentlicher Weise die politischen Diskurse in einer Demokratie. Gestalter müssen sich also entscheiden, ob sie ihr Können in den Dienst von Demagogie oder dem sachlichen Wettstreit von Argumenten stellen wollen …