Hierzu lässt sich ein Film abrufen[5] über Deso Dogg alias Denis Cuspert, einem Salafisten, der sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anschloss und mit seinen Kumpanen in einem Auto auf dem Weg zum als vergnüglich dargestellten Köpfen und Schlachten von Ungläubigen befindet.
Der Weg zum Töten, zum »Köpfen« und »Schlachten« erscheint als alltäglicher Akt, der den Akteuren geradezu sadistische Freude bereitet. Schließlich sind es »Kuffar«, Ungläubige, die es trifft. Wieder ein emotional stark besetztes Feindbild! Auch in Predigten in deutschen Moscheen wird diese strikte Trennung zwischen Ungläubigen und Rechtgläubigen proklamiert. Auf der einen Seite sind die Brüder und Schwestern der Glaubensgemeinschaft, durch die Benennung quasi zu Blutsverwandten gemacht, auf der anderen die ehrlosen Kuffar und Götzendiener, die Tod und Verdammnis verdient haben (auch dazu finden sich zahlreiche sogenannte Predigten von Salafisten auf der Internetplattform »Youtube«).
Schon hier zeigen sich die Anforderungen, die Allah, so die Ideologie der Islamisten, an seine Anhänger stellt, die nicht reflektiert werden dürfen, schließlich resultieren sie aus göttlichen Anweisungen und Gesetzen, die im Koran überliefert sind und zeitlos überall gelten. Wer diese Anweisungen befolgt, gehört zu den Erlösten. Auch hier werden chiliastische Paradiesvorstellungen aktiviert. Dem Märtyrer und Selbstmordattentäter, der sein Leben für die vermeintliche Sache Allahs gibt, stehen allerlei Vorteile zu. Er hat, wie gepredigt wird, einen leichten Tod, ihm sind alle Sünden vergeben, er kann bei einer Art jüngstem Gericht seine Verwandten aus der Hölle erretten, und schließlich sind da noch die 72 Jungfrauen, die im Paradies auf den Märtyrer warten. Befremdliche Versprechungen, die jedoch anscheinend Glauben finden und Hoffnungen wecken, die sich sogar auf die islamische Überlieferung der Hadithen beziehen.
Doch auch andere, rationaler Reflexion entzogene Behauptungen finden Glauben, so die Mär vom »Rattenmädchen«, einem Mädchen, dass sich, weil sie nicht den Geboten Allahs folgte und damit den Weg der Guten verließ, zur Strafe in eine Ratte verwandelt – dokumentiert durch ein Video, in dem eine australische Künstlerin ein Morphing-Verfahren anwendete. Die Künstlerin und auch das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« zeigten sich entsetzt, dass derartige Geschichten selbst von Muslimen in Frankreich und Deutschland geglaubt und weitergegeben wurden.[6]
Die dualistische Trennung zwischen Gut und Böse findet sich in nahezu allen Lebensbereichen, etwas ist halal – gut – oder eben haram – schlecht und böse – , die Welt teilt sich in die islamische Welt, den Dar as-Salam, den Raum des Friedens, in dem der Islam herrscht, und den Dar al-Harb, den Raum des Krieges, also die nicht-islamische Welt. Diese Einteilung wird übertragen auf die islamische Welt in ihrem Gegensatz zur westlichen und jüdischen Welt. Es ist die undifferenzierte Trennung zwischen Gut und Böse mit klarer Positionierung, verbunden mit der Aufgabe, höhere vorgegebene sakrosankte Ziele zu verfolgen, die zum Terror führt. Der Dualismus resultiert in einer Dichotomie des Terrors, das vermeintlich Gute lasse sich nur durch die Vernichtung des scheinbar Bösen erreichen. Die Aufgabe entbindet die Einzelnen zugleich aus ihrer individuellen Verantwortlichkeit. Vermeintlich göttliche ewige Gesetze werden gegen weltliche Gesetze ausgespielt, der Weg, sie durchzusetzen, rechtfertigt jedes Mittel, auch Terror und Grausamkeit. Wenn daher die Aufrufe eines Deso Dogg oder eines Hass-Predigers Abu Abdullah sprachlich eher bescheiden ausfallen, so haben sie doch eine starke Wirkung, auch eine starke emotionale Wirkung, weil sie mit einer vorbesetzten Begrifflichkeit arbeiten.
Thomas Zinsmaier trennt unterschiedliche Mittel, die zur Überzeugung und zum Veranlassen oder Unterlassen von Handlungen möglich sind:
»a. Rationale Überzeugung (›reiner‹ Logos) = ›intrinsische Zustimmungsnötigung‹
b. Rhetorische Überzeugung (Logos, Ethos und Pathos: z. B. Erregen von Hoffnung und Furcht durch Versprechen und Warnen): ›Weiße Rhetorik‹
c. Manipulation: Operieren mit sozialem, moralischem, religiösen Druck: ›Schwarze Rhetorik‹
d. Offenes Drohen, z. B. mit ökonomischen oder physischen Zwangsmaßnahmen (argumentum ad baculum)
e. Befehl
f. Physische Gewaltanwendung.«[7]
Während das unter a, rationale Überzeugung, angeführte Mittel keine Verwendung findet, so umso mehr die Mittel b bis f, besonders aber c bis e, um die gewünschte Wirkung auf unentschlossene Gläubige zu erreichen.
Es sind Reizwörter, wie die bereits oben erwähnten, die in Hasspredigten die Macht der ideologischen Konditionierung aktivieren, die auf Hoffnung und Verdammung zielen, die mit Bestrafung, ja auch mit angeblich gerechtfertigter Gewalt drohen. Auch Reizwörter, die ein vorgegebenes System immer gültiger Wahrheit repräsentieren. Insofern fällt es auch hier schwer von Rhetorik zu sprechen, zum einen aufgrund fehlender Ethik, zum anderen setzt Rhetorik nicht auf Wahrheiten, die von vornherein feststehen, sondern auf Ergebnisse, die am Schluss eines Diskurses sich entwickelt haben. In ideologischen Systemen kann jedes Wort, wie oben bereits von Dolf Sternberger beschrieben, seine Unschuld verlieren und im Rahmen von Terror seine Wirkung entfalten. Es kommt auf den Wirkzusammenhang an; es ist nicht das Argument, das überzeugt, sondern die Identifikation mit dem Redner und der Sache, nicht der intellektuelle Diskurs, sondern die emotionale Identifikation mit der Ideologie. Auch auf die islamistische Propaganda trifft zu, was Victor Klemperer einst für die Nazi-Propaganda formulierte: »In immer neuen Wendungen gibt sich die Angst vor dem denkenden Menschen, der Haß auf das Denken zu erkennen.«[8]
- [5] unter: https://www.youtube.com/watch?v=-8W0JXq3hXo (Stand 6.3.2017)
- [6] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/horror-hoax-die-legende-vom-rattenmaedchen-a-390750.html (Stand: 6.3.2017).
- [7] Zinsmeier, Thomas: Zwangloser Zwang. In: Ueding, Gert; Kalivoda, Gregor (Hg.): Wege moderner Rhetorikforschung. Berlin, Boston 2014. S. 589.
- [8] Klemperer, Victor: LTI. Notizbuch eines Philologen. Frankfurt am Main 1975. S. 9.