Falls diese Beschreibung zu pessimistisch wäre – auch bei optimistischerer Betrachtung gibt es in der Politik demokratischer Staaten Ambivalenzen im Umgang mit Autorität: Politiker werden von vielen Bürgern aufgrund von Kompetenznachweisen durchaus geschätzt, manche werden von Bürgern als Autorität angesehen. Kompetenznachweise werden in den Augen von Bürgern über Entscheidungen und Handlungen und deren Inszenierung erbracht. Entschlossenes Auftreten und schnelles Handeln und deren Inszenierung wird als Ausweis von Kompetenz gewertet werden.[18] Ein Zwiespalt dabei: Sachkompetenz ist in einer hochkomplexen Welt nicht so einfach mit schnellen Entscheidungen und »Machertugenden« zu verknüpfen, oft wäre angemessen auf komplexe Situationen und Entwicklungen nicht einfach und schnell zu antworten, sondern eben komplex und bedächtig.– Der zweite Pol der Ambivalenz im Umgang mit Autorität in demokratischen Staaten: Demokratisch gesinnte Bürger schätzen in der Regel nicht das Autoritäre, sie erkennen in autoritären Politikentwürfen mit ihren einfachen Antworten deren undemokratischen Kern – und doch erwarten sie oft von Politik, Probleme entschlossen anzugehen und schnell zu lösen.
6 Fazit
Eine offene Gesellschaft erlaubt es Bürgern, Vermutungen, Thesen, Theorien, Meinungen kritisch zu prüfen. Gegen offene Gesellschaften wendete sich politische Autorität dann, wenn man deren Angebote nicht schadlos ablehnen dürfte oder sie zwar ablehnen könnte, sie aber nicht abzulehnen wüsste – weil sie allein auf Affekterregung als Selbstzweck aufgebaut sind und sich somit einem rationalen und kritischen Diskurs entziehen. Mit der Demokratie kam Rhetorik auf, um Diskurse rational zu gestalten, die besten Argumente zu finden und Mehrheiten davon zu überzeugen. Eine autoritäre Rhetorik konterkarierte genau diese Motive. Dient Rhetorik der offenen Gesellschaft, dann macht sie Angebote, die man ablehnen darf, und bietet sie so dar, dass man sie kritisch prüfen kann.