Der Forschungsansatz des von Ihnen gegründeten Forscherkollektivs TRACE wird als »evidence based design« bezeichnet. Dieser Begriff ist eher in der amerikanischen Forschung geläufig. Können Sie aufklären, was darunter zu verstehen ist?
Soviel ich weiß, gab es den Begriff »evidence based Design« zunächst im Zusammenhang mit Krankenhaus-Innenarchitektur. Dort hatte man offenbar das evidence-based-prinzip von den Publikationsbedingungen der naturwissenschaftlichen Studien übernommen. Denn alle medizinischen Publikationen müssen das Kriterium der Evidenzbasierung aufweisen. Das ist dann erfüllt, wenn ein Paper in sogenannten »peer
reviewed journals« veröffentlicht wird. Die sind in der Regel amerikanisch und müssen einen hohen impact-factor haben. Dem evidenzbasierten Krankenhaus-Innenraum-Design sind offenbar Studien vorangegangen, in denen Zusammenhänge zwischen Gestaltungsmerkmalen und Genesungsprozessen der Patienten erkennbar wurden.
Unsere TRACE-Gruppe hat mit ihren Publikationen auch die Bedingungen der amerikanischen »peer reviewed journals« erfüllt. Und zwar haben wir neurophysiologische Experimente durchgeführt über unterschiedliche Hirnreaktionen, die von erhabenem und niedrigem Architekturornament ausgelöst werden. Wir haben dabei festgestellt, dass high-ranking-Ornament, also erhabenes Ornament, im Gegensatz zu niedrigem Ornament bei Europäern eine bestimmte Hirnreaktion auslöst, und zwar 300 ms nach Stimulus-Eingang. Das bedeutet: eine Reaktion, die ausgelöst wird, bevor der Proband versteht, was er sieht. Die gleichen Experimente wurden von uns in Peking durchgeführt, mit dem Ergebnis: Diese spezielle Reaktion gab es bei chinesischen Probanden nicht. Diese Publikationen erfüllten die Bedingungen der Evidenzbasierung. Wir haben, ich glaube zwei Jahre lang, in unserem damaligen Labor in der HfG Karlsruhe versucht, den gleichen Effekt mit moderner Architektur auszulösen. Es ist uns nicht gelungen. Es liegt also die Vermutung nahe, dass dies nur mit Ornament Architektur à la Alberti und Vignola funktioniert. Diese Vermutung ist allerdings nicht evidenzbasiert.
Sie erwähnten es bereits, aber gerade vor dem Hintergrund der medialen Omnipräsenz des fortschreitenden Klimawandels, leiten Sie aus Ihrer Forschungsarbeit das Konzept des »integrativen und skalierten Designs« ab. Was ist darunter zu verstehen?
Jetzt geben Sie mir die Gelegenheit, über mein Lieblingsthema zu sprechen. Denn ich bin ein Autofreak. Und zwar ein Freak von Spielzeugautos. Ich versuche, das Autofahren nicht nur zu tun, sondern auch zu spielen. Momentan gelingt mir das ganz gut mit einem VW New Beatle. Das ist ja das Bild von einem anderen Auto: nämlich dem Original VW Käfer, genauso wie die griechischen Steintempel Bilder von Holztempeln sind. Also ich versuche, das Auto nicht nur zu fahren, sondern das Autofahren auch darzustellen. Das nenne ich in der Rhetoriktheorie »Display-Verhalten«. Der Redner spricht nicht nur, er stellt das Sprechen auch dar. Allerdings eins gelingt mir nicht mit meinem Auto, das ein anderes Auto abbildet: Ich kann damit nicht angeben. Zum Angeben würde ich etwas brauchen, was über 100000 Euro kostet und große Energieentladung ermöglicht. Damit wäre ich beim Thema.
Erderwärmung, CO2-Ausstoß, Abgasverringerung bei Automobilen – die Alternativen, die heute diskutiert werden, sind Elektroantrieb und Verbrennungsantrieb. Der Elektroantrieb mit den schweren Batterien, die in Brand geraten können und dabei Temperaturen entwickeln, die so hoch sind, dass man sie nicht löschen kann, sondern ausbrennen lassen muss; die im Winter außerdem weniger Leistung bringen: Diese Technologie scheint mir zutiefst unelegant zu sein. Elektroantrieb ist die elegante Lösung nur bei schienengebundenem Verkehr, wo die Stromzufuhr über einen Schleifkontakt erfolgt.
Das IFO-Institut in München hat eine Studie veröffentlicht, in der nachgewiesen wurde, dass der Verbrennungsantrieb in der Gesamtbilanz leicht umweltfreundlicher ist als der Elektroantrieb. Sofort gab es Gegenstimmen, die das Gegenteil behaupteten. Bei diesem Disput wurde aber deutlich, dass die Emissionsunterschiede zwischen beiden Technologien so gering sind, dass von einer Umstellung auf Elektro nur sehr geringe Vorteile zu erwarten sind.