Diese ganze Diskussion ist von einer großen Hypothek belastet. Man stellt das Gesamtsystem der Automobilität nicht infrage. Denn in diesem Gesamtsystem sind überschwere Fahrzeuge wie zum Beispiel SUV und übermäßig beschleunigungsstarke Fahrzeuge vorgesehen, wie zum Beispiel Sportwagen der Über-100000-Euro-Klasse. Wenn man also mit dem System »Automobil«, wie es jetzt existiert, persönliches Prestige ausdrücken will, dann muss man sich eines von diesen hypertrophen Fahrzeugen kaufen. Denn wir Menschen wollen angeben. Wenn ich mir ein derartiges Auto gekauft habe und ein Rivale kauft sich ein noch energiehaltigeres Auto, dann muss ich mir etwas kaufen, was noch darüber liegt. Dieses System der Selbstdarstellung ist nach oben offen und verlangt nach immer mehr Kraftentfaltung und Energieentladungsdisplay. Ist das nicht ein schönes Wort?
Wenn also das Autofahren überhaupt erhalten bleiben soll, und wenn man Emissionen spürbar verringern will, dann muss man ordnungspolitisch eingreifen. Bei diesem ordnungspolitischen Eingriff muss man sofort an das zukünftige Auto-Design denken. Dann stellt man fest, dass man nicht ein Design der Einzelentwürfe braucht, sondern ein Designsystem. Das führt uns zurück zu Leon Battista Alberti, der damals ein Designsystem entworfen hat, dass die Merkmale Integration und Skalierung enthält.
Unser Design-System für Autos muss eine ordnungspolitische Obergrenze haben. Man könnte zum Beispiel entscheiden, dass nur noch Motoren mit zwei Zylindern und 850 cm³ Hubraum als Obergrenze zugelassen werden. Das Designsystem, das für diesen ordnungspolitischen Eingriff benötigt werden würde, müsste es ermöglichen, innerhalb dieser Grenzen genauso viel Umsatz zu erzeugen und genauso viele Luxusanteile wie früher zu produzieren. Wenn ein Auto schneller sein soll als ein anderes, muss man es leichter machen. Das ist teuer, und schon hätte man eine neue Möglichkeit, um anzugeben. Auch könnte man extrem wertvolle Motoren bauen, für die so viel Handarbeit eingesetzt werden muss, wie für Schweizer Uhren, die auch 30000 bis 50000 Franken kosten können und die wirklich eine Technik enthalten, die so viel wert ist, obwohl man sie nicht braucht.
Dieses Design-System wäre integrativ, weil außer dem Bereich bis 850 cm³ nichts hinzukommen könnte. Es wäre skaliert, weil man trotz der niedrigen Obergrenze verschiedene Abstufungen von Luxus und Prestige ausdrücken könnte.
Nicht integrative Design-Agglomerationen produzieren Kraftdarstellungen, die unbegrenzt anwachsen können. So war es auch zur Zeit von Leon Battista Alberti, als man nur mit teuren Fortifikationsbauten sein Prestige ausdrücken konnte. Alberti verbot in seinem Architekturtraktat das Bauen von befestigten Gebäuden innerhalb seines Ornamentsystems. Fortifikation ist Kraftentfaltung genau wie heute das Fahren von energiespeienden Monsterautos.
Bei Alberti war Fortifikation nur für die Stadtmauer erlaubt. Und die Stadtmauer war für Alberti – das überrascht uns alle – der ranghöchste Sakralbau, nicht der Tempel oder die Kathedrale. Wenn man Albertis integratives und skaliertes Designsystem auf die heutige Automobilkultur übertrüge, würde man eine Renaissance herbeiführen und niemand würde es merken.
Darf ich noch eine Schlussbemerkung machen, die keine Antwort auf Ihre Fragen ist?
Ja, selbstverständlich dürfen Sie.
Europa ist nicht eine Kultur, in der eine Renaissance stattgefunden hat. Europa ist eine Renaissance-Kultur.