Dann aber geht es um die Frage, wem wollen technische Redakteure dies vermitteln? Wer soll die Anleitung für den Induktionsherd lesen – Technikfreaks, Menschen, die mal Freunde des Gasherdes waren – vielleicht sind die Leser von der Qualität des Produktes eh überzeugt? Schaue ich auf das Bild auf dem Deckblatt meiner Gebrauchsanleitung, dann scheint hier nur eine spezielle Schicht angesprochen zu werden. Ein nur verschwommen zu erkennender Mensch hält eine sehr deutlich zu erkennende Gabel mit aufgerollten, nach perfekten Tagliatelle aussehenden Nudeln, garniert mit Lachs und Kaviar, in die Höhe. Nobles Essen, gut gekocht – macht das der Herd, oder hat auch nur das passende Klientel einen solchen Herd?
Abbildung 1: Deckblatt einer Gebrauchsanleitung für einen Induktionsherd
Zielgruppenorientiertes Schreiben ist für Anne Lehrndorfer der Schlüssel der Überzeugungsarbeit. Wichtiger Gedanke ist der, dass die Lesenden der Dokumentation in der Regel auch die sind, die das Produkt nutzen. Es kommt demnach darauf an, sich vorzustellen, warum sie einen solchen Herd gekauft haben, was sie damit wollen, vor welche Probleme sie die Technik stellen wird, wenn sie tatsächlich alle Möglichkeiten nutzen wollen. So schreibt Lehrndorfer: »Jedoch gerade daran, an der Kluft zwischen technischer, produktlogischer Raffinesse (= inhaltliches Potential eines Produkts und mögliches Wissen für den Anwender) und handlungslogischer Bedienoberfläche (= Handlungspotential eines Produkts und nötiges Wissen für einen Anwender) scheitert die technische Kommunikation häufig.«[7] Sehr detailliert zeigt sie, wie sich die Zielgruppe an Hand von Fragen und Aufgabenstellungen ermitteln lässt. Sie arbeitet genau wie es Rhetorik lehrt, nach dem Modell »Topik«, hat also eine Suchhilfe um Orte, also topoi, in Gedanken abzugehen, die ich in unserem Fall auf den Induktionsherd übertrage:
Wollen die Leser sich informieren – welche Textmerkmale ergeben sich dann:
• inhaltlicher Aufbau vom Bekannten ins Unbekannte
• kurze, klare, einfach strukturierte Aussagen
• besonders lesefreundliches Layout (Bilder, Farben, Marginalien) – also mit Kant auf die Sinnlichkeit achten
• viele »Nicht-Text«-Einheiten wie Tabellen, Grafiken, Übersichten
• Material und drucktechnische Ausführung von gehobener Qualität
Bei unseren anvisierten Verbrauchenden kommt aber etwas Entscheidendes hinzu: sie stehen der Broschüre per se kritisch gegenüber, freuen sich selten auf das Lesen der Dokumentation, meinen im Grunde, alles sei auch intuitiv zu begreifen, und wenn dies nicht gelingt, greifen sie eher ungeduldig zur Broschüre. Es muss also zugleich eine Dokumentation sein, die demjenigen dienlich ist, der nur nachschlagen will, sie muss demnach genügend Such- und Orientierungshilfen bieten.