Auch wenn technische Redakteure einen Sachtext formulieren, sind sie nicht neutral, sondern durchaus parteiisch: Sie können nicht sinnvoll den Gebrauch beschreiben, wenn sie nicht zumindest die Position von jemanden einnehmen, der überzeugt davon ist, dass die Hinweise für den Verbraucher oder die Verbraucherin zu einem erleichternden und hilfreichen Zugang zum Gerät führen. Forderung nach Sachlichkeit heißt dann nicht Neutralität, sondern Parteinahme. Was sie inhaltlich darlegen, stützt sich jedoch nicht auf ihre rhetorische Kompetenz, sondern auf ihre technische Kenntnis, ihren Scharfsinn und ihren Fleiß, die es allein ermöglichen, ihre Anlagen zu aktivieren.
Wie ordnen technische Redakteure nun, wie also ist die dispositio der Bedienungsanleitung? Gibt es so etwas wie eine natürliche Ordnung, also eine sich quasi selbstverständlich ergebene? Auch Gliederungen ergeben sich nicht von selbst, gerade hier geht es um Rhetorik gepaart mit Pädagogik, Psychologie und Ästhetik. Gehört z. B. in die Rohfassung nur der Pflichtteil wie etwa: wichtige Hinweise; Abbildung und Gerätebeschreibung, Anwendungen, Pflege und Wartung, Umgang mit Störungen? Das ist die Gliederung, die das »Forum Hausgeräte« Lehrern empfiehlt, die Kinder an das Schreiben von Bedienungsanleitungen heranführen sollen. Oder hilft die Einteilung einer Rede, die deutlich macht, am Anfang muss ich mich als Orator positionieren, captatio benovolentia, meinem Publikum schmackhaft machen, mich zu lesen, indem ich seine Stärken hervorhebe. Ich will an dieser Stelle nicht genau auf die Möglichkeiten der Gliederung eingehen, nur darauf verweisen, dass diese die Zielsetzung nicht aus den Augen verlieren darf, sich bewusst bleiben muss, dass es sich um einen persuasiven Text handelt, also einen Text, mit dem Redakteure überzeugen wollen. Ihre lange Vorarbeit, sich mit dem Gerät und mit dem anvisierten Nutzer intensiv zu beschäftigen, wird dann gerade hier in den nicht nur lesefreundlichen, sondern gern gelesenen Text umgesetzt.
Die Gebrauchsanleitung meines Herdes beginnt mit den Sicherheitshinweisen und dem fettgedruckten Satz: »Vorliegende Gebrauchsanweisung sorgfältig durchlesen. Nur so kann das Gerät richtig bedient werden.« Schon im ersten Satz werde ich als Leserin gemaßregelt, freundlich stimmt mich dies nicht, und dass den Sicherheitsanweisungen Ursachen für Schäden folgen, die eindeutig nur durch mein Verschulden zustande kommen können, stimmt mich nicht darauf ein, diese Gliederung zu akzeptieren. Hier fehlt eindeutig eine kurze, aber prägnante Einstimmung.
Auch wenn technische Redakteure an strenge Richtlinien gebunden sind – worauf es ankommt, sind die Zwischenräume. Darin liegt die besondere Bedeutung der elocutio, also der sprachliche Ausdruck, der sich zwar im Sinne der Produktionsstadien der Gliederung anschließt, im Grunde aber mit ihr zusammen gedacht werden muss. In der sprachlichen Gestaltung zeigt sich das Ethos der Redakteure, nicht nur ob Produkt und Anleitung glaubwürdig vermittelt werden, sondern ob diese glaubwürdig sind: nachgerade ob hier jemand mit den Verbrauchern in einen virtuellen Dialog tritt, um mit diesen gemeinsam das Gerät in seiner Vielfalt zu erkunden.
Solche Tugend zeichnet sich aus durch eine richtige, gute und zweckdienliche Sprache, das ist schon in den antiken Rhetorikbüchern nachlesen. Vom sprachlichen Ausdruck hängt es ab, ob die Erarbeitung der Gedanken als verständlich und hilfreich empfunden wird. Dazu gehört zweifelsohne die latinitas, also die syntaktische und idiomatische Korrektheit, denn Fehler in der Sprache werden vom Rezipienten unweigerlich auf das Produkt übertragen. Grammatik ist ein entscheidender Faktor, um zu erkennen, dass sowohl das Produkt als auch die Dokumentation hochwertig sind. So wird in vielen Lehrbüchern zur Verständlichkeit der Bedienungsanleitung vor Funktionsverbgefügen gewarnt, also vor grammatischen Konstruktionen wie etwa: »zur Anwendung bringen« – Stolperstein nicht nur für den deutschen Leser, sondern erst recht für jeden Übersetzer.