Wichtigste Tugend bei einer Anleitung ist die Deutlichkeit: klar, ökonomisch angeordnet, treffend, sachgemäß, nur dadurch erreicht, wird die gewünschte Wirkung oder mit Cicero: »so prägnant und konzentriert, dass man nicht recht weiß, ob der Inhalt durch den Ausdruck oder ob die Formulierung durch den Gedanken deutlich wird« (Cicero, de oratore, 2,56). Ein Problem ist gerade bei technischen Anwendungen, dass es nicht sehr viele Ausdrucksvarianten gibt, um einen Vorgang nachvollziehbar zu beschreiben.
Technische Redakteure müssen bedenken, dass sie einen Gesamttext verfassen, das heißt einen, in dem Text, Grafiken, Bilder und Typografie eine Einheit bilden müssen. Wenn sie die Anleitung online zur Verfügung stellen wollen, kommt zudem noch die Frage nach einem möglichen Einsatz auditiver Mittel hinzu.
Bewusst sein muss den Redakteuren, dass sie Gestaltende einer Dokumentation sind, die die Rezipienten als ein Ganzes wahrnehmen. Im Grunde geht es darum, sich eine von der Antike bis heute anerkannte Erkenntnis zu eigen zu machen, die besagt, dass es leichter ist, Menschen durch sinnliche Eindrücke zu motivieren als alleine über den Weg der Ratio. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass Texte ihre Strukturiertheit nach außen signalisieren, weshalb die Funktion von Bild und Grafik deutlich sein muss, z. B. wenn diese Funktionen übernehmen, die auch der Sprache zugesprochen werden können, sie also nicht nur illustrieren, sondern gegebenenfalls ersetzen. Es geht daher nicht allein um die Text-Bild-Beziehungen, sondern in gleichem Maße um die Verflechtungen zwischen Text, Bild und eventuell Ton, einmal im Zusammenspiel, aber auch in deren intertextuellen Bezügen, etwa wenn eine Visualisierung sich konkret auf etwas im Text Ausgedrücktes bezieht.
Wenn dies möglichst einfach gestaltet wird, um den Anforderungen der »Usability« zu genügen, machen Redakteure im Grunde nichts anderes als das, was die Rhetorik im Begriff »Angemessenheit« fasst. Es ist nach rhetorischen Maßstäben das wichtigste Kriterium für die Tauglichkeit von Texten. Hierzu sagt Aristoteles: »Angemessenheit wird die sprachliche Formulierung besitzen, wenn sie Affekt und Charakter ausdrückt und in der rechten Relation zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt steht.« (Aristoteles, Rhetorik, III 7,1) Es geht quasi um die »Beredsamkeit der Form«[8], mit der es gelingt, den Rezipienten auf der Ebene des Gefühls anzusprechen, ohne die sachliche Ebene zu verlassen. Dies gelingt, weil die zu wählenden Formen einer Bedienungsanleitung eben nicht individuellen Vorstellungen entsprechen, sondern auf sich formal verfestigten »kollektiven Gefühlsprägungen«[9] beruhen, die durch die jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Vorgaben bestimmt werden und Teil des kollektiven Gedächtnisses sind. Freilich dürfen Gestaltende sich dabei nicht einfach auf die Reproduktion schon vorhandener Formen beschränken. Dies ließe sich im Rekurs auf das belegen, was Aristoteles zur Rede sagt. Immer geht es um eine Orientierung an der »Hörerschaft«, nachgerade an der besonderen Situation, den jeweiligen Bedürfnissen und Anforderungen, denn Argumente und Stilmittel müssen der jeweiligen Situation entsprechen, sie müssen variieren und entwickeln gerade dadurch Neues.
Hierfür bietet die Rhetorik verschiedene Mittel wie Erweiterung, Hinzufügung, Auslassung oder Austausch. Solche Formen sind deshalb nicht einfach äußerlich, weil der gewählte Schmuck zur Darstellung der Argumente, rhetorisch gesprochen: der ornatus, entscheidend ist für die Wirkmächtigkeit des Textes. Auf sinnliche Wirkmöglichkeiten, so lehrt es rhetorische Erfahrung, kann nicht verzichtet werden, wenn Rezipienten gewonnen werden sollen.
Das nun folgende Produktionsstadium ist das der memoria, es meint bei einer Rede, welche Techniken, der Orator nutzt, um die Rede im Gedächtnis zu behalten. Bei der Erstellung einer Dokumentation dreht sich dies – am Beispiel des Induktionsherdes – darum, wie der Verbraucher sich die Erklärungen merkt, welche Symbole sich im Text wiederholen müssen, damit diese bei der Nutzung des Herdes präsent werden. Welche Textmerkmale gibt es, so dass beim zweiten Blick in die Broschüre, die für den Nutzer im Moment interessante Stelle erinnert wird. Und darüber hinaus, was gehört in die Broschüre, dass sie als Angebot zum virtuellen Dialog im Gedächtnis bleibt.
Den Abschluss bildet die actio, also das Fertigstellen der Dokumentation. Nach der Rohfassung der Benutzerinfomation, die im Grunde aus dem Zusammentragen der Ergebnisse der vier Produktionsstadien erstellt wird, muss diese auf Vollständigkeit, Korrektheit, Verständlichkeit, Benutzungsfreundlichkeit und Gestaltung überprüft werden. Zur Gestaltung gehören dann in besonderer Weise die Qualität des Papiers, der Bilder und eine lesefreundliche Typografie. Wenn technische Redakteure in ihrer Zielgruppenanalyse herausgefunden haben, dass es selten Studierende sind, die einen Induktionsherd besitzen, die Verbraucher also wahrscheinlich zur mittleren bis älteren Generation gehören, müssen sie genau dies bei Schrift, Bild und Sprache beachten. Insofern lässt sich auch aus rhetorischer Sicht nur raten, auf eine Evaluation der Dokumentation auf keinen Fall zu verzichten, bevor diese alle Verkäufer und Verbraucher erreicht.
Wer Bedienungsanleitungen schreibt und sich in der Rolle des Orators sieht, muss immer bedenken, dass er sich – einem Diktum von Michael Daxner zufolge – an den Perspektiven orientieren muss, dauernd vom Berg hinunterzusteigen, wie der Stein des Sysiphos immer hinunterrollt und nur bei denen zur Ruhe kommt, die ihn wieder herauftragen.