Essay
Sachen machen – Artefakt und Sprache
Wie wir handeln, indem wir sprechen
1 Einleitung
Wenn es um Kraft und Macht der Worte geht, dann ist es klug, auf deren Wirkungen zu achten. In der Tat – wir können mit Worten Effekte auslösen, wir handeln, indem wir sprechen und uns äußern. Die beiden analytischen Philosophen John L. Austin und John R. Searle nannten dies »Sprechakte«. Sie haben ausführlich untersucht, welche Voraussetzungen und Auswirkungen unsere Handlungen haben, die wir mittels des gesprochenen Wortes durchführen. Doch es geht noch weiter: Wir können mit Beschreibungen und Anweisungen, sprich: Programmen und Bedienungs- oder Konstruktionsanleitungen, »Sachen machen«. Wie kommt das?
2 Grammatik reicht nicht aus
Mein Fachgebiet ist Technikphilosophie – wir Technikphilosophen stellen philosophische Fragen im Hinblick auf die Technik, aber wir lösen keine technischen Probleme. Wir fragen nach der Technik, ihren Bedingungen und Möglichkeiten, wir stellen die Frage nach dem technischen Wissen, wie es strukturiert ist, und wir stellen auch ethische Fragen. Aber um diese Frage soll es hier nicht gehen. Ich möchte an die Technik eine der philosophischen Fragen stellen, die erst im 20. Jahrhundert aufgegriffen wurde: Es ist die Frage nach der Sprache. Gottfried Herder ist schon im 19. Jahrhundert für seine sprachphilosophischen Ansätze bekannt geworden – er wollte wissen, wie Sprache entstanden ist, und was sie für den Menschen bedeutet. Sprachenforscher des 19. Jahrhunderts fingen an, die Grammatiken und den Wortschatz von unterschiedlichen Sprachen zu vergleichen, es war auch die hohe Zeit der Deutschen Altphilologie, die damals noch Weltgeltung besaß. Damals meinte man noch, dass man aus der Struktur der Sprache etwas darüber lernen könnte, wie die Welt beschaffen sei.
Die Frage nach der inneren Struktur der Sprache (also der mathematisch beschreibbaren Struktur von Syntax, Semantik und Pragmatik) und ihrer sozialen, sprich: handlungstheoretischen Dimension ist jedoch erst im 20. Jahrhundert gestellt worden. Sie begann zunächst mit den Ansätzen der Semiotik, der Zeichentheorie. Semiotiker wie Charles Sanders Peirce oder Charles Morris haben hier bahnbrechende Arbeiten geleistet, im Deutschen Sprachraum wären die Namen Max Bense und Roland Posner zu nennen. Man glaubte zunächst, dass die Bedeutung an sich in einem Zeichen stecke und hoffte, aus der Analyse von Zeichen die Bedeutung von Zeichen erschließen zu können – also das, was sie meinen und worauf sie verweisen. Damit glaubte man, der Macht der Worte auf die Spur zu kommen. Diesen Forschungszweig gibt es immer noch – aber er führt ein unspektakuläres, eher orchideenhaftes akademisches Dasein.
Die Sprachforschung ging andere Wege. Neben der vergleichenden Sprachforschung, die unterschiedliche Sprachen verglich, ergab sich in den 50er Jahren eine für Philologen ungewöhnliche Antwort, nämlich durch die Automatentheorie, die ihren Ursprung in der Elektrotechnik hatte. Theoretischen Vorarbeiten hatten Noam Chomsky[1], einen Sprachwissenschaftler am MIT (Massachusetts Institute of Technology), der über maschinelle Übersetzungen arbeitete, auf die Idee gebracht, dass Automaten, die Zeichensignale empfangen und entsprechend darauf reagieren, mathematisch ähnlich beschrieben werden können wie die innere Struktur zwischen den Zeichen – also Beziehungen, die bestimmten, welche Kombinationen von Zeichen oder Wörtern in welcher Reigenfolge erlaubt waren und welche nicht. Diese innere Struktur zwischen den Zeichen nannte Chomsky eine Grammatik, und er fand heraus, dass nicht nur Programmiersprachen eine mathematisch einfach verblüffende Struktur haben, nämlich als Regeln, wie korrekte Programmieranweisungen zu formulieren sind, sondern auch, dass ähnliche Regeln für natürliche Sprachen gefunden und angegeben werden können. Allerdings gab es da noch die berüchtigten Ausnahmen – die jeder kennt, wenn er eine Fremdsprache lernen möchte.