Essay

Verletzende Bilder und Worte

Beispiele für diskriminierende Rede im Internet

Von Francesca Vidal


Sel­ten wird sicht­bar, wel­che Wun­den ent­ste­hen, wenn Men­schen durch Bil­der oder Wor­te ver­letzt wer­den, wenn also etwas Wir­kung hat wie ein Schlag ins Gesicht. Ali­cia Som­mer­feld, die 2016 in einer her­vor­ra­gen­den Bache­lor­ar­beit unter­sucht hat, was Ver­let­zung durch Wor­te mei­nen kann, hat mich auf den Foto­es­say des Foto­gra­fen Richard John­so­nin auf­merk­sam gemacht, der die sprach­li­che Gewalt mit Hil­fe eines beson­de­ren Make-Ups auf Gesich­tern zu zei­gen ver­such­te. Frau Som­mer­feld gehört zu dem Kreis der Stu­die­ren­den, mit denen ich das The­ma »Ver­let­zen­de Wor­te« seit lan­ger Zeit bear­bei­te, wes­halb ich ger­ne auf Ergeb­nis­se aus Semi­na­ren und von mir betreu­ten stu­den­ti­schen Arbei­ten zurück­grei­fe. Ohne die Arbeit mei­ner Stu­die­ren­den wäre mir die Fül­le der The­ma­tik nicht so prä­sent, da wir die Struk­tu­ren an vie­len Bei­spie­len ana­ly­siert haben. Im Fol­gen­den sol­len vor­ran­gig die Ergeb­nis­se die­ser Ana­ly­sen vor­ge­stellt werden.

1 Ein­lei­tung: Spra­che als Waf­fe – ein legi­ti­mes Werkzeug?

Auch wenn die Spra­che uns als Mit­tel der Ver­stän­di­gung dient, kann sie doch auch zu einem Medi­um der Gewalt­aus­übung wer­den, denn: »von der indi­rek­ten Takt­lo­sig­keit bis zur dis­kri­mi­nie­ren­den hate speech kann Spra­che als Gewalt wir­ken«[1] sagen die Her­aus­ge­ber eines Ban­des über die Gram­ma­tik sprach­li­cher Miss­ach­tung. So kann dis­kri­mi­nie­ren­de Rede durch­aus zu psy­chi­schen und phy­si­schen Schä­den füh­ren. For­men der Kom­mu­ni­ka­ti­on sind nicht per se ein Mit­tel der fried­li­chen Ver­stän­di­gung, auch wenn ein ver­ba­ler Schlag­aus­tausch nicht unbe­dingt sicht­ba­re Wun­den hin­ter­lässt. Gera­de die­se feh­len­de Sicht­bar­keit der Wun­den führt zu Ver­su­chen, die­se Form der Gewalt mit den Mit­teln der Kunst sicht­bar zu machen, sei es als Foto­es­say oder auch als Kin­der­vers, der uns bild­lich vor Augen führt, was gemeint sein könn­te: Stock und Stein bre­chen mein Gebein, doch auch Wor­te brin­gen Pein.

Es geht mir im Fol­gen­den ganz expli­zit um die Gewalt durch Spra­che und nicht um die Gewalt der Spra­che. Ich stel­le nicht in Fra­ge, dass die Spra­che schon vor jeg­li­chem Spre­chen struk­tu­rel­le Gewalt aus­übt, da sie frei­lich den Rah­men des mög­lich Denk­ba­ren setzt. Mir aber geht es um die mit Hil­fe der Spra­che mög­li­chen ver­let­zen­den Akte und zwar bezo­gen auf Wort und Bild und dies mit einem Schwer­punkt auf unse­re heu­ti­gen Netzwelten.

Wobei mit Petra Geh­ring[2] gefragt wer­den muss, ob Gewalt tat­säch­lich der pas­sen­de Aus­druck ist, wir nicht eher sagen müss­ten, dass Spra­che phy­si­sche Kraft ent­wi­ckeln kann, die auf unse­ren Kör­per wirkt, eben auch ver­let­zend, aber nicht nur. Spra­che kann zur Waf­fe wer­den, eine, mit der um Über­zeu­gun­gen gekämpft wer­den kann, eine, mit der ver­führt wer­den kann, die also ero­ti­sche Wir­kung ent­fal­tet, und eine, die belei­digt und damit ver­letzt. Und gera­de die­se Kraft, genutzt als rhe­to­ri­sches Mit­tel, zeigt, wie sehr sie in Spra­che selbst ange­legt ist und ihr nicht als etwas Äußer­li­ches zukommt.

Auf rhe­to­ri­sche Mit­tel wie Iro­nie, Sati­re oder auch Pole­mik wol­len wir nicht ver­zich­ten, sehen sie als Weg, eine unmit­tel­ba­re Prä­senz erst zu schaf­fen und Lesen­de, Hören­de und Schau­en­de qua­si zu zwin­gen, eine pas­si­ve Teil­nahms­lo­sig­keit auf­zu­ge­ben und Stel­lung zu bezie­hen. Ob wir von dis­kri­mi­nie­ren­der Rhe­to­rik oder gelun­ge­ner Iro­nie oder auch per­so­nal­sa­ti­ri­scher Pole­mik spre­chen – also von uns bewun­der­ten rhe­to­ri­schen Mit­teln –, ist immer abhän­gig von Ort, Zeit und Situation.

Wor­te und Bil­der auch als Waf­fe zu benut­zen, ist Teil unse­rer Kul­tur, und die­se Waf­fe ist eine, die wir im fai­ren Mit­ein­an­der durch­aus schät­zen. Dabei ist uns bewusst, dass sati­risch Gemein­tes auf den Ein­zel­nen durch­aus ver­let­zend wir­ken kann, denn Sati­re über­schrei­tet bewusst Gren­zen. Was darf Sati­re? Alles, sagt zumin­dest Kurt Tucholsky.

Aber Tuchol­sky hat sein Zitat 1932 ergänzt und gesagt: »Sati­re hat eine Gren­ze nach oben: Bud­dha ent­zieht sich ihr. Sati­re hat auch eine Gren­ze nach unten. In Deutsch­land etwa der herr­schen­den faschis­ti­schen Mäch­te. Es lohnt nicht – so tief kann man nicht schie­ßen.«[3]

Auf­fäl­lig – auch hier bleibt es iro­nisch, macht deut­lich, dass der Faschis­mus ein Niveau hat, dem man sati­risch nicht mehr begeg­nen kann. Also nicht nur Ort, Zeit, Situa­ti­on, son­dern auch alles eine Fra­ge des Niveaus?