Möglich wird dieser Aufbau einer eigenen Wahrheit, die sich nicht scheut, andere Menschen zu diskriminieren, durch die Form der Mediennutzung. Die auf derartigen Seiten – von denen es immer mehr gibt – bereitgestellten Informationen werden nicht einfach nur abgerufen, sondern die User verstehen sich als Teil einer Community, die zwischen Urheber und Rezipient nicht unterscheidet und die mit Hilfe von Emotionalisierungstaktiken versucht, das Gefühl von Gemeinschaft aufzubauen, die sich dann wie selbstverständlich von anderen abgrenzt. Alle Outgroups werden abgewertet, ihnen werden grundsätzlich negative Stereotype zugesprochen, während die eigene Gruppe permanent als höherwertig dargestellt wird, z. B. als diejenige, die die tatsächlichen Wahrheiten, die allzu oft die eigenen sind, als einzige erkennt. Hinzu kommt freilich, dass hier des Öfteren Trollys oder Bots genutzt werden, um so den Eindruck von Masse zu hinterlassen, im Sinne des Gefühls, Mehrheitsstandpunkte legitim zu vertreten.
Im Grunde ist damit auch schon der Aufbau der Internetauftritte der »Pegida« nahestehenden Partei »Alternative für Deutschland« (AFD) erklärt. Genauer wurde dies exemplarisch an der offiziellen Homepage und am »Facebook«-Auftritt in einer von mir betreuten Bachelorarbeit von Thessa Brenner[10] untersucht, wobei sie sich auf Äußerungen zur Flüchtlingspolitik fokussiert hat. Dies nicht von ungefähr, gehört die Flüchtlingspolitik doch zu den Hauptangriffspunkten der AFD. Während Thessa Brenner das auf der Homepage bereitgestellte Programm sehr sorgfältig analysiert hat, begrenze ich mich auf wenige Schlaglichter.
In ihrer Arbeit beschreibt die Autorin das Titelbild einer »Facebook«-Seite, auf dem die Partei mit dem Slogan »Bürger an die Macht« für die Wahl der AFD im September 2017 wirbt:
»Links im Hintergrund wurden viele verschiedene (Profil)Bilder von Einzelpersonen zu einer wilden Collage aneinander gereiht, welche langsam in die Parteicharakteristische Farbe blau übergehen. Links oben befindet sich zudem eine Art Button, auf dem in roten Lettern ›Wir wollen unser Land zurück‹ steht. Diese Zeile lässt sich unweigerlich mit der von Donald Trump geäußerten Forderung ›We want our country back!‹ assoziieren, mit dem die AfD zu sympathisieren scheint. Unter dem Titelbild besteht die Möglichkeit auf verschiedene Schaltflächen zu klicken: Der Besucher der Seite kann diese mit ›Gefällt mir‹, ›Abonnieren‹ oder der Aktion ›Teilen‹ versehen. Zudem kann er sich ›Registrieren‹ oder eine ›Nachricht senden‹. Außerdem kann der registrierte ›Facebook‹nutzer Text-, Bild- und Videoinhalte auf dieser Seite veröffentlichen. Auf diese Weise werden dem Nutzer einige Interaktionsmöglichkeiten geboten.
Des Weiteren zeichnet sich die Startseite der ›Facebook‹seite der AfD durch ein Profilbild, welches sich links oben befindet, aus. Dieses ist sehr viel kleiner als das Titelbild, weswegen es nicht sofort auffällt. Das Profilbild zeigt das Partei-typische Logo mit dem roten Pfeil, der nach rechts oben weist. Auch hier lässt sich der Button finden, welcher in leicht abgeänderter Form bereits im Titelbild verwendet wurde. Mit den Worten ›24.09. Hol dir dein Land zurück!‹ wirbt er ebenfalls um Wählerstimmen für die Bundestagswahl.
Unter dem Profilbild befinden sich jeweils untereinander weitere Schaltflächen, mit denen man auf die Reiter ›Startseite‹, ›Beiträge‹, ›Info‹, ›Gefällt-mir‹ Angaben, sowie ›Mitglied werden!‹, ›Fotos‹ und ›Videos‹ zugreifen kann. Wählt man den Reiter ›Beiträge‹ aus, gelangt man zu den Postings (= Mitteilungen) der Partei und nicht zu den Inhalten, welche von Nutzern der Seite veröffentlicht wurden. Nur rechts am Rand gäbe es einen weiterführenden Link zu ›Besucherbeiträgen‹.«[11]
Auffällig: Die Bild-Text-Kombinationen, Grafiken oder Fotos werden immer von Slogans oder Zitaten begleitet, der Blick wird geleitet sowohl in Hinblick auf die Interpretation als auch auf die Schlussfolgerungen, landet man doch immer auf Hinweise auf die offizielle Homepage.
Auffällig auch ist der auf beiden Seiten zu findende Versuch, eine Gemeinschaft zu konstruieren, die sich dadurch auszeichnen soll, dass eine Polarität zwischen dem sogenannten Volk und der sogenannten Elite beschworen wird, damit die AFD sich als Anti-Establishment verkaufen kann. Dies geschieht keineswegs mit plumpen Rassismen, sondern im Rekurs auf die eigenen Wirtschaftsexperten werden sogenannte nationale Unterschiede festgeschrieben, um diese dann als ethnische Merkmale zu behaupten. So wird regelmäßig auf den wirtschaftlichen Wettbewerb verwiesen, immer bezogen auf Nationen und derart versucht ein »deutsches Überlegenheitsgefühl« zu erzeugen. Wirtschaftlicher Wohlstand wird auf diese Weise als Ergebnis deutscher Tugenden und deutscher Leitkultur verkauft. Die Überlegenheit der ökonomisch erfolgreichen Gruppe wird zum Beleg für eine Überlegenheit der Deutschen, die dann in Gefahr gerät, wenn das oder der Fremde Zugang erhalten würde. Das Ergebnis ist damit das Gleiche, es wird eine überlegende Ethnie konstruiert, ohne Scheu wird daher auch aufgerufen zu einer Politik, die die Fertilitätsrate erhöhen soll, damit mehr Deutsche geboren werden. Das Programm arbeitet konsequent mit der Verunglimpfung und Abwertung anderer und mit der Konstruktion einer überlegenden Gemeinschaft, die es zu schützen gelte, gerade weil die mit der Politik Beauftragten dies nicht tun würden.
Der Weg zum Aufbau dieser Pseudogemeinschaft ist also die Abwertung anderer. Brenner zeigt dies sehr ausführlich am Programm der AFD, ich beschränke mich auf ein Wahlplakat der Partei (Abbildung 2), dem man auf den ersten Blick keine Verletzung ansieht.