Weinschenk legt, wie gesagt, einen Schwerpunkt auf interaktives Design. So spielen zum Beispiel Geräusche (vgl. S. 113) oder die richtige Reaktion auf Fehler des Anwenders (vgl. »Wir machen Fehler« S. 187) wohl eher in den neuen Medien eine Rolle. Trotzdem beziehen sich die Erkenntnisse, die die Autorin in ihren Fazits zusammenfasst, manchmal auch auf andere Designdisziplinen oder lassen sich übertragen. So zum Beispiel im Abschnitt »39. Kultur beeinflusst unser Denken«, in dem Zusammenhänge zwischen Kultur und Design erläutert werden. Viele der Erkenntnisse lassen sich auch auf Verkauf und Präsentation – Bereiche, die für Designer ebenfalls von Bedeutung sind – anwenden. So zum Beispiel »34. Wir lernen am besten anhand von Beispielen«. Aus diesem Abschnitt, den die Autorin pfiffigerweise anhand von Beispielen erklärt, kann man Erkenntnisse darüber ziehen, wie man ein Publikum fesseln kann und gleichzeitig eine Botschaft vermittelt.
Dieses Buch hätte ich mir als Lektüre für den Anfang meines Studiums gewünscht. Tatsächlich liefert das Buch ungefähr das, was ich mir unter einem Kommunikationsdesign-Studium damals vorstellte: Es erklärt, wie man mit Gestaltung was am besten erreichen kann. Es ist gut, das die Autorin die Forschungsergebnisse anhand vieler Beispiele erklärt, so kann man sie auf die eigene Arbeit beziehen und dadurch leichter verstehen. Der im ganzen Buch sehr starke Bezug zu Webdesign ist völlig legitim, vor allem, weil die Autorin aus diesem Bereich kommt, aber es hätte am Titel oder zumindest im Klappentext deutlich werden müssen, dass es sich vor allem um ein Buch mit Schwerpunkt auf interaktivem Design handelt. Mir stellt sich die Frage: Bezieht sich die Autorin so stark darauf, weil sie aus diesem Bereich kommt und mehr darüber weiß oder weil es primär dazu Studien gibt, auf die sie sich beziehen kann?
Ob mir die Erkenntnisse aus dem Buch in der Praxis nutzen, wird sich in Zukunft zeigen. Da bleibt abzuwarten, inwiefern ich im Arbeitsalltag darauf zurückkomme und mein neues Wissen anwenden kann. Auf jeden Fall regt »100 Dinge« dazu an, sich mehr mit Forschungsergebnissen zu beschäftigen, um ein tieferes Verständnis vom eigenen Tun zu bekommen. Das Buch liefert auch viele weiterführende Links und Literaturtipps, insofern überrascht es etwas, dass es kein separates Literaturverzeichnis im Anhang gibt. Und obwohl viele der Dinge, die wir laut Weinschenk wissen müssen, so »weblastig« sind, sind einige der 100 Punkte auch für andere Designer interessant. Für diejenigen, die sich in erster Linie mit Webdesign oder User Experience beschäftigen, ist dieses Buch auf jeden Fall zu empfehlen. Aber selbst wenn man manches nicht direkt auf das eigene Design beziehen kann, lernt man viel über das Verhalten von Menschen. Und auf diese zielt unsere Gestaltung ja immer ab. Ein Grundwissen über menschliches Verhalten ist außerdem immer von Nutzen. Ich habe die meisten der »100 Dinge« als nützlich und hilfreich empfunden. Die nächste Herausforderung ist jetzt, sie im Alltag umzusetzen.