Glaubwürdigkeit als eine rhetorische Kategorie ist nicht allein an die Person gebunden, sondern gilt im Sinne aristotelischer Rhetorik vorrangig der Rede selbst. Heute also auch dem, was Journalisten schreiben, was soziale Medien weitergeben, was ganz allgemein ins Netz gestellt wird, auch wenn der Text eventuell von einer KI geschrieben wurde. Die Kategorie der Glaubwürdigkeit wird im Laufe der rhetorischen Geschichte immer mehr mit der Person des oder der Redenden verbunden. Nur sollte – auch wenn das antike Ethos-Konzept nicht auf die heutige Welt übertragbar ist – gerade in einer Zeit, in der Glaubwürdigkeit an Bedeutung gewinnt, der aristotelische Gedanke wieder stärker betont werden, dass die Rede selbst glaubwürdig sein muss.
Gelingen kann dies allein durch das Zusammenspiel von Ethos, Pathos und Logos. Es kommt damit sowohl darauf an, dass Autoren ihre Kompetenz intellektuell und moralisch verdeutlichen können, als auch darauf, sich auf das Wissen und die Empfindungen der Rezipienten einstellen zu können. Nur so kann erreicht werden, dass diese sich in der Verantwortung sehen, eine Entscheidung mitzutragen. Texte dürfen durchaus Affekte hervorrufen, vor allem aber müssen Argumentationen plausibel sein. Es kommt also darauf an, dass Menschen die Verfahren der Beweisführung beherrschen. Dies gilt für Schreibende und Leser gleichermaßen, was es so schwierig macht.
IV. Wie können Enten (irrtümliche oder bewusste) also erkannt werden?
Ich habe die Behauptung aufgestellt, wichtig wäre Plausibilität.[8] Dass es also entscheidend ist, ob etwas intuitiv Sinn ergibt, ob wir es als stimmig empfinden. Anders ausgedrückt: Wir fragen nach der Logik, wir schauen, ob sich die Aussagen nicht widersprechen, ob sie narrativ stimmig sind. Ob wir der Erzählung folgen können, aber auch, ob wir sie aus unserer Alltagserfahrung heraus nachvollziehen können, worauf z. B. Ortwin Renn in seinem Buch über gefühlte Wahrheiten hinweist.
Freilich bleibt auch dies vage, denn im Grunde können sie die Wege, wie sie im Alltag Entscheidungen treffen, darauf übertragen, wie sie Informationen bewerten. Sie fragen nach möglichem Nutzen und Schaden, sie überlegen, was sie persönlich weiter bringt und sie bewerten Informationen entsprechend den Informationen, denen sie schon immer geglaubt haben.[9]
Tatsächlich fragen müssten wir nach der Ursprungsquelle, also genau nach dem, was wir von Journalisten fordern, wie eben diejenigen, die einfach sekundäre Quellen weiter verbreitet haben. Aus welcher Quelle stammt die Information? Handelt es sich um selbsternannte Nachrichtenverbreiter, oder ist eine redaktionelle Kontrolle erkennbar? Immer mehr Interessengruppen haben eigene Kanäle. Mittlerweile gibt es im Netz Quellen, mit denen sich Fakten überprüfen lassen wie zum Beispiel »Snopes« oder »PolitiFact«. Auch hier bleibt ein kritischer Blick notwendig. Grundsätzlich sollten wir skeptisch bleiben, wenn die Quellen nicht genannt werden und Behauptungen im Text aufgestellt werden, ohne Belege anzuführen.
Heute können Absender und Adressaten weitgehend unbekannt bleiben, d. h. jede und jeder, der in Netzwelten kommuniziert, muss wissen, dass sich eine Diskussion in Gang setzen lässt, auf deren Verlauf er keinen Einfluss mehr hat, was z. B. für die Debatte um Hassrede, aber eben auch die rasante Verbreitung von Falschnachrichten sehr entscheidend werden kann.
Fragen müssten wir, ob die im Text angesprochenen Emotionen angemessen sind, oder ob hier etwas eventuell emotional aufgeladen wird, um uns von den Fakten abzulenken. Dramatisierung oder eine reißerische Sprache sprechen nicht für Glaubwürdigkeit.
Leider haben wir alle eine Eigenschaft, die uns gerade dies schwer macht. Die Psychologie spricht von der kognitiven Dissonanz. Gemeint ist unser Bedürfnis, Widersprüche dann zu ignorieren, wenn diese unsere Vorstellungen in Frage stellen. Hier lässt sich nur die Forderung nach Skepsis wiederholen, z. B. gegenüber Übertreibungen, denn es gibt weder ein Nullrisiko noch absolute Sicherheit. Hinzu kommt, dass jeder von uns sich in seinen Echoräumen bewegt, oft in vorgefassten Meinungen bestätigt wird oder in den Worten von Ortwin Renn: »Wir bewegen uns zunehmend in Echoräumen, die genau das als Echo zurückrufen, was wir in den Raum eingegeben haben.«[10]