Wie erwähnt, sei­nen Reiz ent­wi­ckelt der Roman einer­seits durch die­sen, in heu­ti­ger Wahr­neh­mung eher ange­staub­ten, ver­meint­lich betu­li­chen Ton und dem gemäch­li­chen Erzähl­tem­po, ande­rer­seits durch sei­ne Figu­ren, die geschil­der­ten Men­schen und ihre Lebens­kon­zep­te. Schau­en wir uns also die wich­tigs­ten Figu­ren etwas genau­er an:

Mit Hans Cas­torp schickt Tho­mas Mann einen »nai­ven Hel­den« ins »Ren­nen«. Cas­torp ist ein beque­mer Mensch ohne Ambi­tio­nen und ohne wirk­li­che Lebens­er­fah­rung. Die Lie­be, der Tod, die Gestal­tung des eige­nen oder des sozia­len und poli­ti­schen Lebens – mit die­sen gro­ßen The­men des Lebens hat Hans Cas­torp sich kaum abge­ge­ben. In sei­ner Zeit auf dem »Zau­ber­berg« wird er sich ver­än­dern, wird eine Ent­wick­lung durch­ma­chen, wie das eben so geschieht in einem Bil­dungs- oder Ent­wick­lungs­ro­man. So wird ihn die Lie­be anzie­hen und der Tod fas­zi­nie­ren. Eros und Tha­na­tos, den Lie­bes- und der Todes­trieb des Men­schen lässt ­Tho­mas Mann über den jun­gen Mann kom­men, ihn gewal­tig ver­wir­ren, sie­ben Jah­re lang. Von einer schwe­ren Lun­gen­er­kran­kung muss er nicht kuriert wer­den, sein kör­per­li­cher Zustand ist im Ver­gleich zu den schwe­ren Fäl­len in der Kli­nik bes­tens; wohl aber muss er sich von meta­phy­si­schen Spe­ku­la­tio­nen, idea­lis­ti­schen Illu­sio­nen und von ­sei­ner ver­schlepp­ten »Sym­pa­thie mit dem Tode« befrei­en. Und er muss sich ent­schei­den, ob er sich, um den Tod wis­send, in den Dienst des Lebens stel­len will.

An die Sei­te von Hans Cas­torp wird Claw­dia Chauchat gestellt und ein­mal gelegt. Die­ses »Frau­en­zim­mer« aus Ost­eu­ro­pa ist eine »femme fata­le«, sie hat etwas von der läs­si­gen Selbst­ge­wiss­heit und der Ele­ganz einer Raub­kat­ze. Anfäng­lich ist Cas­torp davon abge­sto­ßen, wie undis­zi­pli­niert Madame Chauchat die Tür zum Spei­se­saal kra­chend zuwirft, das passt so gar nicht in das Wert­gefüge sei­ner Erzie­hung, in der man sich zurück­zu­neh­men hat in ham­bur­ger Vor­nehm­heit, ein Wert­ge­fü­ge, in dem Pflicht und Zucht als vor­bild­lich ange­se­hen wer­den. Doch uns zieht bekannt­lich der Gegen­satz an, und so geht es Hans Cas­torp mit der ­läs­si­gen Claw­dia Chauchat, der fleisch­ge­wor­de­nen Ver­füh­rung. In einer Kar­ne­vals­nacht – die als ähn­lich opu­len­ter Tau­mel geschil­dert wird wie die Wal­pur­gis­nacht in Goe­thes »Faust« –, in einer Kar­ne­vals­nacht wird aus Hans Cas­torps über­hitz­ten Phan­ta­sien Wirk­lich­keit: Claw­dia Chauchat gibt sich ihm hin.

Schau­en wir uns eine wei­te­re wich­ti­ge Figur des Romans an: ­Ludo­vico Settem­b­ri­ni ist anfäng­lich Pati­ent in der Kli­nik, als ver­arm­ter Schrift­stel­ler kann er sich aber kei­nen Dau­er­auf­ent­halt im luxu­riö­sen Sana­to­ri­um leis­ten und wohnt spä­ter beschei­den zur Mie­te im nahe­ge­le­ge­nen Dorf. So gern er aus den Ber­gen hin­ab in die Welt gin­ge und sich dem wirk­li­chen Leben wid­me­te, sei­ne Krank­heit erlaubt ihm das nicht, er ist auf den Auf­ent­halt in der Höhen­luft ange­wie­sen. Ludo­vico hat sich mit Pathos den Idea­len des Huma­nis­mus und der Auf­klä­rung ver­schrie­ben, er glaubt an die Ver­nunft, an das täti­ge Leben, strei­tet für die Men­schen­rech­te, hofft auf einen Weg zur Demo­kra­tie, der not­falls auch über die Revo­lu­ti­on genom­men wer­den muss. (Man­che Äuße­run­gen und Posi­tio­nen Settem­bri­nis gemah­nen an Schrif­ten von Tho­mas Manns Bru­der Hein­rich, der – im Unter­schied zum jün­ge­ren Tho­mas – immer schon der Demo­kra­tie ver­bun­den war.) Settem­b­ri­ni mag den jun­gen »Inge­ne­re« Cas­torp, ver­sucht ihn zu beein­flus­sen, gegen Cas­torps über­mäch­tig wer­den­de ­Lie­bes- und Todes­sehn­süch­te anzu­kämp­fen – lan­ge ver­ge­bens. Der Huma­nist Settem­b­ri­ni ist einer­seits eine zutiefst sym­pa­thi­sche ­Figur, ande­rer­seits wird er auch als lächer­li­cher, abge­ris­se­ner Ober­leh­rer dargestellt.

Zu Settem­bri­nis Gegen­spie­ler und zum wei­te­ren Lehr­meis­ter Hans Cas­torps wird Pro­fes­sor Leo Naph­ta. Er ist ein Jesu­it und Kom­mu­nist, steht nicht auf der Sei­te des Lichts der Auf­klä­rung, son­dern auf der Sei­te eines düs­te­ren Todes­fa­na­tis­mus und Mys­ti­zis­mus. Gegen Settem­bri­nis Ver­nunft­glau­ben setzt Leo Naph­ta eine mittelalter­liche Reli­gio­si­tät, er pro­pa­giert Aske­se und Kon­tem­pla­ti­on und schwärmt von einer Mys­tik des Lei­dens. Naph­ta ist wohl­ha­bend, da lässt sich bekannt­lich leicht Aske­se pre­di­gen. Sei­ne poli­ti­schen Visio­nen stre­ben zu ­einem tota­li­tä­ren Got­tes­staat, zu des­sen Errich­tung Ter­ror und Krieg gerecht­fer­tigt sind. Zwi­schen Naph­ta und Settem­b­ri­ni ent­brennt eine hit­zi­ge, an­dauernde Debat­te, in der bei­de ihren päd­ago­gi­schen Ein­fluss auf Hans Cas­torp stär­ken wol­len. Der Streit geht so weit, dass Naph­ta Settem­b­ri­ni zum Duell for­dert. Der Huma­nist Settem­b­ri­ni wei­gert sich in die­sem Duell, Naph­ta zu ­erschie­ßen, wes­halb Naph­ta ­sei­ne Waf­fe gegen sich selbst richtet.

Ein drit­te Män­ner­fi­gur tritt, spät im Roman, neben die­se bei­den Intel­lek­tu­el­len und beein­flusst eben­falls den jun­gen Hans Cas­torp in ­sei­ner Zeit auf dem Zau­ber­berg. Die­se Figur trägt den Namen Myn­herr Pee­per­korn. Der Hol­län­der ist der Gefähr­te Claw­dia Chauchats. Myn­herr Pee­per­korn ver­kör­pert das pral­le Leben, nein, mehr schon eine Art Gier des Lebens nach Leben. Als Pee­per­korn im Sana­to­ri­um ankommt, wirkt er auf Cas­torp wie ein Natur­er­eig­nis, eine welt­män­ni­sche Per­sön­lich­keit, die das Leben zu genie­ßen weiß und die die bei­den »Schwät­zer­chen« Naph­ta und Settem­b­ri­ni »ver­zwer­gen« lässt. Doch mit der Zeit bekommt auch die­ses Bild Ris­se, und Pee­per­korns Lebens­gier wirkt inhaltsarm.

Zwei wei­te­re Figu­ren des Romans sei­en noch ange­führt: Der ­Chef­arzt Beh­rens, der robust mit dem Tod umzu­ge­hen weiß, und der Assis­tenz­arzt Kro­kow­ski, der – und das fas­zi­niert die Damen im Sana­to­ri­um ganz beson­ders – »See­len­zer­glie­de­rung« betreibt, also psy­cho­ana­ly­ti­schen Metho­den anhängt, gera­de­zu eine gesell­schaft­li­che Mode jener Zeit.

Soweit also ein Abriss der Hand­lung und der wich­tigs­ten Figu­ren des Romans.