Essay
Zur Rhetorik der Technik
Aufriss eines Forschungsgebietes
Der nachfolgende Essay stammt aus dem demnächst im Franz Steiner Verlag, Stuttgart, erscheinenden Band:
Friedrich, Volker (Hg.): Technik denken. Philosophische Annäherungen. Festschrift für Klaus Kornwachs zum 70. Geburtstag. Stuttgart 2018.
Die Vorab-Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
»Haben wir die Technik, die wir brauchen, und brauchen wir die Technik, die wir haben?« Mit diesen Fragen umreißt Klaus Kornwachs zentrale Aspekte der Technikphilosophie.[1] Aus der Sicht eines Rhetorikers könnte eine Anschlussfrage gestellt werden: Haben wir das Wissen über eine Rhetorik der Technik, das uns dabei unterstützte, die Antworten auf diese Fragen zu formulieren? In dieser Anschlussfrage wäre eingeschlossen, dass es so etwas wie eine »Rhetorik der Technik« gäbe oder man sie bearbeiten könnte. Der Beobachtung des Autors dieser Zeilen nach wird im deutschsprachigen Raum einer Rhetorik der Technik nur eingeschränkt nachgegangen. Sicher gibt es aus der Technikphilosophie heraus bereits eine Beschäftigung mit dem Verhältnis der Sprache zur Technik. Gleichwohl sei die Frage aufgeworfen, wie aus der spezifischen Warte der Rhetorik dazu ein Beitrag geleistet werden kann und somit Berührpunkte zwischen Rhetorik und Technikphilosophie behandelt werden könnten. Ließe sich in solch einem Forschungsgebiet eine Zusammenarbeit zwischen Philosophen, Rhetorikern, Technikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern auf den Weg bringen? Dieses Forschungsgebiet wird in folgendem Aufriss bruchstückhaft skizziert.
Mittels Technik organisiert der Mensch die Wirklichkeit, und er schafft mittels neuer Technik neue Wirklichkeiten. Dadurch, dass er darüber spricht (und schreibt), organisiert er die Vermittlung der technisch geprägten Wirklichkeiten. Dies wiederum wirkt letztlich auch zurück auf Technik selbst. Technik und Rhetorik der Technik stehen in einer Wechselwirkung, die zu betrachten einer der Gegenstände einer Rhetorik der Technik wäre: Technik artikuliert sich, und Technik wird artikuliert. Wie spricht Technik zu uns, wie sprechen die Techniker über Technik, wie die Nichttechniker? Können wir Technik – nicht allein, aber eben auch – als rhetorisches Phänomen, als Rhetorik begreifen? Können wir Rhetorik nutzen, um Technik zu begreifen?
Technikphilosophen greifen Fragen nach der Wechselwirkung von Sprache und Technik durchaus auf, manche sehen Technik selbst als Medium an.[2] In dieser Skizze soll es um einen ergänzenden Aspekt gehen, nämlich den Diskurs, den die Rhetorik dazu beisteuern könnte.
Einen Eintrag zu den Begriffen »Technik« oder »Technikrhetorik« sucht man im begriffsgeschichtlichen Standardwerk »Historisches Wörterbuch der Rhetorik« vergeblich; zu finden ist allerdings eine Definition des Stichwortes »Wissenschaftsrhetorik«: »Der Ausdruck ›W.‹ bezeichnet: (1) die bewusste kommunikative Vermittlung wissenschaftlichen Wissens, und zwar sowohl (1a) innerhalb der scientific community als auch (1b) nach außen, in popularisierender Form auf ein wissenschaftlich nicht vorgebildetes Publikum abzielend; (2) die wissenschaftliche Untersuchung und Thematisierung der rhetorischen Vermittlung von Wissen auf einer Metaebene. Zwei Leitfragen dienen deshalb im Folgenden zur Orientierung – ›Wie wurde und wird Wissen rhetorisch vermittelt?‹ (Wissenschaft als Rhetorik) und ›Wie wurde und wird die rhetorische Vermittlung von Wissen theoretisch erschlossen und dargestellt?‹ (Rhetorik als Wissenschaft).«[3]
Nach einer Analogiebildung, die in der obigen Definition »Wissen« durch »Technik«, »wissenschaftlich« durch »technisch« ersetzte, bezeichnete der Begriff »Technikrhetorik«: (1) die bewusste kommunikative Vermittlung technischen Wissens, und zwar sowohl (1a) innerhalb der Gemeinschaft der Techniker, Ingenieure, Naturwissenschaftler etc. als auch (1b) nach außen, in popularisierender Form auf ein technisch nicht vorgebildetes Publikum abzielend; (2) die wissenschaftliche Untersuchung und Thematisierung der rhetorischen Vermittlung von Technik auf einer Metaebene. Orientierung wäre demzufolge für die Technikrhetorik zu gewinnen mit Fragen wie: Wie wurde und wird Technik rhetorisch vermittelt? Wie wurde und wird eine rhetorische Vermittlung von Technik theoretisch erschlossen und dargestellt?[4]
- [1] So etwa zu finden in seiner Einführung in die Philosophie der Technik (Kornwachs, Klaus: Philosophie der Technik. Eine Einführung. München 2013. S. 121.) oder in den Geleitworten zu der von ihm herausgegebenen Reihe »Technikphilosophie« (exemplarisch sei der erste Band dieser Reihe angeführt: Kornwachs, Klaus: Geleitwort des Herausgebers. In: ders.: Das Prinzip der Bedingungserhaltung. Eine ethische Studie. Münster 2000. S. V.).
- [2] vgl. Hubig, Christoph: Technik als Medium. In: Grunwald, Armin (Hg.): Handbuch Technikethik. Darmstadt 2013. S. 118—123.
- [3] Klüsener, Bea; Grzega, Joachim: Wissenschaftsrhetorik. In: Ueding, Gert (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 10: Nachträge. Tübingen 2012. Sp. 1486.
- [4] Die beim Begriff »Wissenschaftsrhetorik« vorgenommene Unterscheidung zwischen »Wissenschaft als Rhetorik« und »Rhetorik als Wissenschaft« lässt sich für »Technikrhetorik« nicht sinnvoll übertragen; »Rhetorik als Technik« hätte den Bezug zum griechischen »rhetorike techne«, also der ursprünglich aristotelischen Bezeichnung für Rhetorik als eine lehrbare Disziplin (vgl. Kalivoda, Gregor; Zinsmaier, Thomas: Rhetorik. In: Ueding, a. a. O., Bd. 7, Sp. 1423.).