c) die Untersuchung der Sprache und der Argumente, mit der Persuasion für oder gegen Technik herbeigeführt wird
Technisches Schreiben als Instruktionstext wird selbstverständlich von Linguisten untersucht[25], für die Rhetoriker gäbe es Arbeit zu leisten bei der Untersuchung der persuasiven Elemente und Funktionen solcher Texte.
Mit Präsentationen und Konzepten beispielsweise werden technische Ideen, Lösungsvorschläge, Prototypen, Umsetzungen vorgestellt. Damit sollen Zuhörer, Zuschauer oder Leser überzeugt werden, sei es, dass die Vorstandsetage eines Unternehmens von den Ideen der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, oder sei es, dass ein politisches Gremium von einer technischen Lösung überzeugt werden soll. In diesen Themenbereich fallen auch Untersuchungen zur Rhetorik von Technikbewertung und Technikfolgenabschätzung, die gemeinhin deliberative Aufgaben erfüllen, also wiederum originär rhetorisch sind. Verschiedene Werke über Technikfolgenabschätzung haben sich dieser Fragen auf der Basis habermasscher Überlegungen zur Diskursethik angenommen[26]; aus rhetorischer Warte lohnte es sich, beispielsweise auf der Rhetorik fußende argumentationstheoretische Arbeiten auf diese Diskussion hin zu prüfen, beispielsweise »Klassiker des 20. Jahrhunderts« wie die Arbeiten von Perelman[27] oder Toulmin[28].
d) die Untersuchung der Metapherologie der Technik
Mit welchen Metaphern wird Technik belegt, in welchen ausgedrückt? Im philosophischen Diskurs suchte man Antworten auf ähnliche Fragen wohl bei Hans Blumenberg. Dessen Ansatz begreift Rüdiger Campe so: »Es geht darum, die Implikation der Technik und ihrer Theorie im metaphorologischen Verfahren zu erkennen.«[29]
Auch aus rhetorischer Warte wäre zu untersuchen: Mit welchen sprachlichen Bildern reden wir über Technik und die von ihr geschaffene und organisierte Welt? Einerseits lässt sich, wie in b) dargelegt, konstatieren: Es hat sich ein »stilloser Stil« etabliert, die nüchtern-sachliche Darstellung. Anderseits ist das Sprechen und Schreiben über Technik eben häufig gekennzeichnet von einer ausgeprägten Metaphorik. Wir sprechen vom »Internet der Dinge« oder von »künstlicher Intelligenz«, oft ohne uns des metaphorischen Gehalts solcher Wendungen bewusst zu sein. Technische Metaphern scheinen schnell zu erstarren, also nicht mehr als Metaphern wahrgenommen zu werden. Unsere Sprache ist voll von erstarrten Metaphern wie das »Tischbein« oder der »Flaschenhals«, die wir als Metaphern nicht mehr wahrnehmen. Im Sprechen über Technik scheint das Erstarren von Metaphern schnell zu gehen, wir benötigen die Metaphern für das sonst Unsagbare offenbar so sehr, dass wir ihnen das Irritierende nehmen, das ihnen beim ersten Hören oder Lesen innewohnt. »Die prominenteste Metapher aus der Rhetorik des Cyberspace ist zweifellos das Surfen.«[30] An diesem Beispiel lässt sich der Übergang einer frischen zu einer toten Metapher beobachten, »Surfen« ist inzwischen das »Tischbein« des »Internets«.
e) die Rhetorizität der Technik
Was lässt Technik selbst rhetorisch sein, was macht ihre Rhetorizität[31] aus? Betrachtet werden kann dabei, wie Technik als Technik, wie sie technisch kommuniziert und mit sich technisch kommunizieren lässt und so Persuasionsstrategien verfolgt.
Bolz lässt, wie oben dargelegt, anklingen, dass Gestaltung, Formgebung, Design[32] gleichsam als Rhetorik der Technik angesehen werden können. In ihrer Gestaltung lädt Technik zu einem intuitiven Umgang mit sich ein und macht so ihren technischen Charakter vergessen. Sie appelliert an den Pathos, stellt einen affektiven Umgang gegen ihren technisch-nüchternen Logos. Zu untersuchen wäre beispielsweise die Rhetorik technischer Gesten. Der Erfolg moderner Produkte der Kommunikationstechnik, die durch gleichsam natürliche Fingergesten gesteuert werden, wird gern mit ihrer intuitiven Selbstverständlichkeit erklärt; dabei wird übersehen, dass genau darin ein rhetorisches Konzept liegt, eine persuasive Strategie, eine Überzeugungstechnik der Technik.
Wie entsteht Persuasion durch Technik? Aus rhetorischer Warte selbstverständlich wie jede Persuasion: durch Appelle an Logos, Ethos und Pathos. Zu untersuchen wäre, wie diese Appelle von, durch, mit Technik im Detail hervorgerufen werden.
Zu Persuasionsstrategien gehören Appelle an den Logos, was Fragen aufwirft: Wie entwickeln Technik und Technikrhetorik Argumentationen? Wie wird Technikrhetorik als Mittel der Persuasion eingesetzt, wie entwickelt sie technikspezifisch Persuasion und kommunikative Wirkung? Wie werden aus kommunikativen Angeboten, die technikimmanent sind, technischen Artefakten innewohnen, persuasive Strategien und Argumentationen abgeleitet, wie verbalisiert, wie wirkungsvoll kommuniziert? Sodann: Wie wird mittels der Bezugnahme auf Technik versucht, Argumentationen aufzubauen, zu stützen oder zu widerlegen? Wie Technik beschrieben wird, lenkt, wie Technik genutzt, verstanden, akzeptiert wird. Für Technik einzunehmen, sei es den Nutzer oder die Gesellschaft, ist ein Akt der Persuasion, also ein rhetorischer Akt – der ein weites Feld rhetorischer Forschung eröffnet.
- [25] vgl. Poser, Hans: Technisches Wissen, technische Sprache, technische Bilder. In: Friedrich, Volker (Hg.): Technik denken. Philosophische Annährungen. Stuttgart 2018 (im Druck).
- [26] vgl. vor allem: Perelman, Chaïm; Olbrechts-Tyteca, Lucie: Die neue Rhetorik. 2 Bde. Stuttgart 2004.
- [27] vgl. vor allem: Perelman, Chaïm; Olbrechts-Tyteca, Lucie: Die neue Rhetorik. 2 Bde. Stuttgart 2004.
- [28] grundlegend: Toulmin, Stephen Edelston: Der Gebrauch von Argumenten. Kronberg im Taunus 1975.
- [29] Campe, Rüdiger: Von der Theorie der Technik zur Technik der Metapher. Blumenbergs systematische Eröffnung: In: Haverkamp, Anselm; Mende, Dirk (Hg.): Metaphorologie. Zur Praxis von Theorie. Frankfurt am Main 2009. S. 285.
- [30] Bolz, Die Wirtschaft des Unsichtbaren, a. a. O., S. 116.
- [31] »Mit ›Rhetorizität‹ wird allgemein das ›Rhetorisch-sein‹ von Kommunikation zum Ausdruck gebracht, also dass ein kommunikativer Akt sich rhetorischer Mittel bedienen kann, um die angestrebte Persuasion und Wirkung zu erzielen.« Friedrich, Volker: Wörterbuch – Begriffe für die Form und für die Gestalter. In: ders. (Hg.): Sprache für die Form – Forum für Design und Rhetorik. http://www.designrhetorik.de/?page_id=1149 (Permalink).
- [32] »Die ›Rhetorizität der Gestaltung‹ sieht in Wirkungsintentionalität, -steuerung und -erzielung die Schlüssel zum Verständnis der Persuasion von Gestaltung. Dabei spielt der Begriff der Angemessenheit (aptum, decorum) eine zentrale Rolle. Zum Verständnis der Rhetorizität von Gestaltung kann die Rhetorik dem Design an die Seite treten und ihm einen Begriffsapparat liefern, mit dem gestalterische Zusammenhänge erfasst, benannt und differenziert werden können.« ders., ebd.